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da die gewaltigen Mauerrisse in den Bastionen nicht den
fernwirkenden Geschossen allein zuzuschreiben sein dürften.
Den Beweis einer unnachahmlichen Naivetät jener Zeiten
gibt ein fliegendes Blatt mit dem Titel: „Eigentliche
Vorstellung der Vestung Rothenbergs nebenst dem, den
21. September, anno 1708 erfolgten Auszug. Nürnberg.
Verlegt und zu finden bei den Felseckerischen Erben.“ Der
Beschauer hat den Rothenberg in ganz willkürlicher Steilheit
und Unvermitteltheit mit seiner Umgebung vor sich. Aus
der Vogelperspektive sieht man in die menschenleere Festung
und das öde Stadtplätzlein, wacker beschossen von der
gegenübergelegenen Höhe mit Mörser und Feldschlangen,
fünf rauchende Bomben fliegen in den bedrängten Platz und
gleichzeitig betrachtet man ganz erbaut den friedlich
gemächlichen Auszug der Kapitulirenden und den Einzug der
Neubesatzung der Sieger. So etwas genirte damals nicht.
In der schon angeführten, 1744 in Frankfurt und Leipzig
herausgegebenen „Kurzgefaßten historischen Nachricht von
der berühmten Festung Rothenberg“, wird einer ausführ—
lichen längeren Unterredung gedacht, welche zwei auf dem
Werbegange befindliche Officiere, ein fränkischer und ein
österreichischer, ausführlich über die damaligen Kriegesläufe
pflegten, als sie zufällig im Wirthshause zusammenkamen. Von
der Aktion bei Döttingen an, wo Bekanntschaft mit dem Baron
Trenk, seinen Panduren, Husaren und Kroaten gemacht wird,
lauscht man gemächlich der nicht uninteressanten militärischen
Kannegießerei der braven Lieutenants über das Reich,
Frankreich und England, macht die verschiedenen Rhein—
übergänge mit, lernt die Generale Bernklau, Esterhazy
und Durlach kennen, begleitet die Märsche des Prinzen
Karl nach den Germersheimer und Lauterburger Linien,
kritisirt mit ihnen die Gefechte, Ueberrumpelungen, Beutezüge,
Husarenritte und besiegt die Franzosen, wo man sie haben
konnte, besucht die Aktion bei Landau und den Weissenburger
Linien, welche damals beim vierten Sturm, aber von den
Franzosen, den Oesterreichern entrissen wurden, während die
Geschicke 1870 den Spieß zum Heile Deutschlands umdrehten.
In sittengeschichtlicher Hinsicht enthält das kriegerische