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Andrang bei der Futtermittelstelle steigerte sich bald derart, daß man gezwungen war, die—
selbe an einigen Nachmittagen in der Woche für den öffentlichen Verkehr zu schließen, um
Zeit für die Erledigung der laufenden Arbeiten zu gewinnen.
Bei Verteilung der Futtermittel an die Privattierhalter mußten zur Entlastung der
städtischen Futterverteilungsstelle auch die Privatvereinigungen herangezogen werden. Hier
leistete der Fuhrwerksbesitzerverein, welchem die Ausgabe der Futtermittel an seine Mitglieder
übertragen wurde, schätzenswerte Dienste. Für die amtliche Futterverteilung kam der Fuhr—
werksbesitzerverein als Einzeltierhalter in Frage. Damit war erreicht, daß etwa 200 Tierhalter
it 800 Pferden von der amtlichen Verteilungsstelle losgelöst waren, ein Umstand, der bei
dem geringen Raum und dem beschränkten Personalstand der Stelle sehr zu statten kam.
Auch die Mithilfe des Bezirksvereins der Kleintierzuchtvereine und des Kaninchenzucht—
vereins Gibitzenhof wurde zur Verteilung von Futtermitteln für die Kleintiere in Anspruch
genommen. Der Verein zur Hebung der Geflügelzucht, des Vogelschutzes und der Vogel—
kunde und der ornithologische Verein in Nürnberg erhielten auf die eingereichte Mitglieder—
liste hin unter Angabe des Tierstandes Futtermittel zugewiesen. Durch diese Maßnahmen
wurde, wie schon erwähnt, die amtliche Futterstelle des Kommunalverbands Nürnberg vom
Parteiverkehr wesentlich entlastet.
Mit Verfügung vom 19. August 1915 hatte der Reichskanzler die nassen Biertreber
in die Bekanntmachung vom 28. Juni über den Verkehr mit Kraftfuttermitteln mit
einbegriffen. Die nassen Biertreber, eine der wichtigsten Futterartikel für die Milchversorgung,
durften nach dieser Verfügung nur durch die Bezugsvereinigung der deutschen Landwirte
abgesetzt werden. Der Stadtmagistrat Nürnberg sah sich daher zu einer neuen Organisation
veranlaßt und ordnete die Beschlagnahme der in den Brauereien allwöchentlich anfallenden
Naßtreber, deren Absatz der Bezugsvereinigung der deutschen Landwirte vorbehalten war, an.
Maßgebend hierfür war das große Interesse an der Erhaltung und ordnungsgemäßen
Verteilung der Naßtreber an diejenigen Landwirte, deren Milchertrag in Nürnberg zum
Verkauf gelangte. Landwirtschaftliche Organisationen suchten ihre Meinung über die Treber—
verteilung zur Kenntnis des Kommunalverbands Nürnberg zu bringen, und man einigte sich
schließlch dahin, daß die Verteilung dieses Futtermittels der Vereinigung der Milch—
produzenten (einer Abzweigung des Bundes der Landwirte) übertragen wurde, da nur diese
Organisation darüber hinreichend unterrichtet ist, welche Landwirte in das Stadtgebiet
Milch hereinliefern. Die Maßnahmen wurden in folgender Weise durchgeführt. Die
Brauereien hatten allwöchentlich ihre Sudpläne beim Stadtmagistrat einzureichen, und dieser
stellte dieselben jener Korporation zu. Die Landwirte erhielten für die ihnen zugewiesenen
Biertreber Zuweisungskarten, welche zum Bezug bei der Brauerei berechtigten. Gegen Ab—
lieferung der Scheine erfolgte am 1. und 15. eines jeden Monats die Abrechnung der
Brauereien mit dem Stadtmagistrat. Alle Samstag geschah die Abrechnung mit dem
Kommunalverband und der Milchproduzentenvereinigung über die Lieferungen in der
vergangenen Woche. Der Verkehr mit den Landwirten blieb der genannten Vereinigung
überlassen, welche dem Stadtmagistrat gegenüber die Haftung für den Eingang aller Gelder
übernommen hat. Der von der Bezugsvereinigung dem Kommunalverband zugesprochene
Zuschlag von 30/0 wird zwischen dem Verein und dem Stadtmagistrat je zur Hälfte geteilt.
Diese Regelung wurde von den Brauereien wie von den Landwirten angenehm empfunden;
denn auf diese Weise konnten die bisherigen Bezieher ihre Treber aus den Nürnberger
Brauereien trotz der Beschlagnahme wieder erhalten. Es wurde dadurch aber auch eine
gewisse Günstlingswirtschaft verhindert, da die Zuteilung direkt auf Antrag durch den
Kommunalverband bezw. die Vereinigung der Milchproduzenten erfolgte. Die so getroffene
Regelung vollzieht sich seit ihrem Bestehen in geordneter Weise. Die Abgabe und Berechnung