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chymie, Metaphysik, zuletzt die Theologie auf, um von Kaiser
Karl IV. Urteil und Rang zu erhalten. So sehr sich auch eine
jede der „meiden“ rühmt, die Theologie erhält doch den höchsten
Rang.
Oder nehmen. wir einen der ‘interessantesten Menschen des
15. Jahrhunderts, Savanarola. Er spricht die merkwürdigen
Worte aus: „Die Metaphysik ist die Königin aller
Wissenschaften. Aber das ist nur gesprochen „secundum
naturalia“ — (sehr charakteristisch für das Jahrhundert der
Naturerkenntnis!) — weil, christlich gesprochen, die wahre und
ainzige Wissenschaft die. Theologie ist. Alle anderen betrachten
besondere Dinge unter besonderen Gesichtspunkten: sie allein
betrachtet alles unter. einem allgemeinen Gesichtspunkte. Deshalb
genügt ihr nicht das natürliche Licht und sie bedarf
des göttlichen. Darum müssen vor dieser einen Wissenschaft
alle anderen sich verdunkeln und ihr den Platz einräumen“.! (So
verdunkelt sich auch auf Dürers Melancholie die ganze Scene,
während das Gemach des Heiligen von Sonnenlicht durchflutet
wird und das „göttliche Licht“, der Heiligenschein, sein Haupt
umglänzt und ihm zu seiner Arbeit leuchtet.)
Eine in mancher Beziehung an Savanarola erinnernde, wenn
auch im Kern ganz anders geartete Persönlichkeit, Erasmus
von Rotterdam, drückt in seinem „Handbüchlein des christlichen
Ritters“, das, wie wir uns erinnern, im Todesjahr ‚des Florentiner
Reformators (1498) niedergeschrieben wurde, denselben Gedanken
so aus, (Cap. 2.): „Die göttliche Weisheit ist ganz rein, ganz
schneeweiss, während es keine Lehre der Menschen gibt, die nicht
durch etwas Schwärze des Irrtums befleckt ist.“ Und weiterhin
auf S. 25 der deutschen Uebersetzung vom Jahre 1520 heisst es:
„Wenn du auch schon unzählige Töchter weltlicher
Weisheit daheime ernährst, doch dass die göttliche
Weisheit über die andern sei deine einige, deine schöne, deine
auserlesene Liebe“. Wenn man in den weltlichen Philosophen
i «De utilitate et divisione omnium scientiarum», citiert bei Vil-
lari, La storia di G. Savanarola, Firenze 1859, I, 96. Abgedruckt bei
Schlosser, Jahrb. d. allerh. Kaiserh,. XVII, 48 A. 7.