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Man kann die Politik Karls IV. gegenüber der Stadt und den
Burggrafen nicht anders denn als eine höchst schwankende, ja zwei—
deutige bezeichnen. Und dennoch möchten wir die Schuld an den
häufigen Widersprüchen, die uns in den unter seinem Siegel ausge—
fertigten Urkunden entgegentreten, weniger einer bewußten Doppel—
züngigkeit der kaiserlichen Politik, als vielmehr dem gewissenlosen Sy—
stem beimessen, das hinsichtlich der Erteilung von Privilegien von jeher
am Kaiserhofe im Schwange war. Dies System scheint vorzugsweise
darin bestanden zu haben, daß man sich für alle Urkunden, die von der
kaiserlichen Kanzlei ausgingen, direkt oder mittelbar, durch Annahme
von Geschenken, gehörig bezahlt zu machen verstand. Von Nürnberg
insbesondere wissen wir, daß es dem Kaiser und seinen Räten bei allen
möglichen Gelegenheiten beträchtliche Verehrungen zuwandte. Wer nur
Geld und immer wieder Geld in den unersättlichen Schlund der kaiserlichen
Hofkanzlei hineinsteckte, der konnte auch sicher sein, immer neue Privi—
legien zu erhalten, in denen alle seinen Ansprüchen zuwiderlaufenden Frei—
heiten und Rechte anderer für null und nichtig erklärt wurden. Ob
diese Freiheiten nicht etwa eben vorher durch ein ausdrückliches Privileg
neu bestätigt worden waren, darum scheint man sich nicht viel beküm—
mert zu haben, geschweige denn, daß man in den Kanzleiregistern
nachschlug, ob ein neu auszufertigendes Pergament nicht den Be—
stimmungen einer früheren, denselben Gegenstand betreffenden, jedoch
für eine andere Person ausgestellten Urkunde widersprach. Daher auch
die so häufig in den Urkunden wiederkehrenden Entschuldigungen des
Kaisers, daß er „aus Vergessenheit“ oder „weil er dessen nicht be—
richtet gewesen“, eine Entscheidung getroffen habe, die er nach Vor—
zeigung älterer Briefe wieder zurückzunehmen genötigt ist.
So darf es uns auch nicht Wunder nehmen, daß Karl, von dem
wir soeben eine Reihe beträchtlicher Gunstbezeugungen an die Burg—
grafen verzeichnet haben, der dazu noch am 15. Juli 1866 ein neues
Bündnis mit ihnen einging und zwischen seinen Söhnen und den
Töchtern des Burggrafen öfters Eheverträge aufrichtete, die allerdings
meist nicht zustande kamen — nur Karls Tochter Margareta wurde 1864
mit Johann, dem Sohne Friedrichs V. vermählt — am 20. November 1366
eine Urkunde erließ, in der alle Zölle und Geleite, die er in der nächsten
Umgebung von Nürnberg irgend jemandem verliehen hätte, widerrufen
werden. Unter den davon Betroffenen nennt er an erster Stelle den
„edlen Friderichen, Burggrafen zu Nürnberg“, den er doch nur wenige
Jahre zuvor in der Handhabung seines alten Geleitsrechts bestätigt
hatte. Auch die Grafen von Wertheim und Hohenlohe und ein Herr
von Brauneck werden mit Namen genannt. Ihnen allen wird „ernst⸗
N
Ju
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