— 98 —
Viel früher als in den Gemeinwesen der Staaten hat sich das
Steuerwesen der mittelalterlichen Reichsstadt in dem Sinne entwickelt,
unsere moderne Finanzwirtschaft gestattet hat Ursprüng⸗
lich ging man aus von Grundzinsen und persönlichen Leistungen. Als
diese für die Bestreitung der vermehrten Kommunalbedürfnisse nicht mehr
ausreichten, wandte man sich hauptsächlich der indirekten Besteuerungs—
weise durch Zölle und Accise zu, um dann erst, als auch diese eine
weitere Steigerung in Rücksicht auf die unteren Einwohnersklassen
nicht zuließen, bei der Vermögens- und Einkommensteuer anzu—
langen.
Aber auch das in unserer Zeit nur zu beliebte Auskunftsmittel,
erhöhte oder außerordentliche Staatsbedürfnisse durch Anleihen zu be⸗
streiten, ist in dem alten Nürnberg ganz ebenso bekannt, ja fast noch
geläufiger als heutzutage gewesen.
In der Stadtrechnung aus dem ersten Drittel des Jahres 1388
finden sich unter den Einnahmen verzeichnet: Recepta von Leibgeding:
7279 Pfund Haller, sodann noch ein anderes Kapital von 2000 Gul—
den als Darlehen von einem Mainzer Kapitalisten. In den Ausgaben
sind für die in demselben Zeitraum ausgezahlten Leibrenten verrechnet:
966 Pfund Haller. Das Leibgeding war eine Rente, die von der
Stadtkassa gegen Einzahlung eines Kapitals dem Darleiher für die
Dauer seines Lebens oder für die Lebensdauer irgend einer andern
oder mehrerer von ihm genannten Personen durch einen Rentenbrief
zugesichert wurde. Ein Beispiel eines —
gibt, möge auch hier folgen. Am 11. März 1350 bekennen Conrad
Groß, Schultheiß, die Bürger vom Rat, die Schöffen, die Geschworenen
und die Gemeinde der Stadt zu Nürnberg, daß sie ihrem lieben Mit—
bürger Herrn Heinrich Grundherr 104 Pfund Haller zu einem Leib—
geding auf seine zwei Töchter, Katharina und Klara zu kaufen gegeben;
man soll sie ihm alle vier Goldfasten (Quatember) zu je 26 Pfd. be⸗
zahlen und wenn sie acht Tage nach jeder Goldfasten nicht bezahlt
sind, so soll man ihm am Tage darauf das Doppelte bezahlen. Für
allen Schaden soll man ihm stehen und er soll Gewalt haben, acht
aus dem Rat und aus der Gemeine zu nehmen und diese sollen ge—
halten sein, mit ihr selbst Leib außerhalb ihrer Häuser in eines ehr—
lichen offenen Gaftgeben Haus, wo er sie einweiset, jeder alle Tag
zweimal zu leisten, so man nicht fastet, und in der Fasten einmal, und
aus der Leistung nicht zu kommen, bis er seines Schadens gewährt
*) Lochner, Geo. Wolfg. Karl, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg zur Zeit
Kaiser Karls IV. 1347 -1878. Berlin 1873, S. 123.
— —