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empfindbar gemacht. Sott lieben gehört mebr für unferen Seiftz
das Sinnliche an uns nimmt, der Natur der Sache nach, we=
niger Antheil daran. Solche Sefühle Fönnen demnach nicht
immer für den Außeren Menfchen das YAuffallende haben, wie jene.
So fagt & Johannes, daß den Bruder lieben, den man
fiehet, etwas mehr die Menfchlichkeit Einnehmendes hat, als Sott
lieben, den man nicht fiehet. Es wird auch nicht in der Bibel
von uns gefordert, Soft zu lieben, wie man einen Freund, in
dem Sefühl der Sinnlichkeit, liebt. Wenigftens möchte ich ein
dergleichen Gefühl nicht zum Yrobirftein meiner Liebe gegen
Sott erwählen. Nur Liebe von ganzem Herzen, von ganzer
Seele, von ganzem Semüthe, ft unfre Pflicht. It Sott und
Sefu8 mein Gedanken = Feft; macht die Liebe zu ihm das Sriebz
werk zur ThätigFeit meiner Secelenfräfte aus, daß dem Verftand
Seine Erkenntnig inniges Bedürfnißg und Seiftes -Wonne wird;
daß der Wink: Gott befiehlt’8, den ganzen Willen lenktz Daß
die Beforgnig, Seine Snade zu verfcherzen, unfere größte Furcht
ifts daß die Erwartung, Seinen Beifall zu erhalten, uns jedes
Sute durchzufeßen feurig freibtz daß die Hoffnung, einft bei
Shm zu fein, unfers Lebens Balfam wird — ich fage: fteht es
fo in uns, fo ift das gewiß Siebe, wie fie Gnade nur wirken
Fan. Zu den Sraden der Liebe giebt unfer Herr felbft den
ficherften Probirftein dar: Wer mich Liebet, der wird mein
Wort hHakten. Ie mehr von dem Lepteren gefchieht, je mehr
it an dem Erfteren wahr.“
Sn einem andern Briefe des feligen Esper an unfern
Kießling wird dann auch zugleich noch, wie e$ aus dem
Xnhalt fcheint, einer anderen Klage des Chriftenherzens begeg-
net, welche freilich mit foldhen Aeußerungen, wie die oben ers
wähnten des Altern Tagebuches (daß Sottes Lob, Sebet
u. f. w. feine Höchfte Wonne fei), in geradem Widerfpruche ffes
het; jener Klage, daß es fich beim Gebet gar nicht mehr Sott fo
nahe wie fonft, und fich oft wie von ihm verlaffen fühle: einer
Klage, welcher übrigens der laute Dank immer zur Seite gebt,
der laute Dank für die Borforge im Seiftlichen wie im Leiblichen,