Volltext: Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs (2. Band)

896 Sechster Teil. Ergebnisse und Entwicklung von 1377 bis 1794. 
dem Grundsatz beruhe, niemand dürfe ungerecht mit Abgaben beschwert 
werden; Ulm schreibt resigniert, da seine Steuern infolge der übergrofsen 
Schuldenlast zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichten, so helfe man 
sich, so gut es gehe, mit neuen Anleihen. Die Antworten der Finanz- 
ämter fallen nicht viel instruktiver aus. Die Mehrzahl erklärt kurz und 
bündig, dafs bei ihnen bekanntermafsen nichts zu verbessern sei. Nur der 
Magazinverwalter macht daneben noch einen positiven Vorschlag: es sei 
vom Jahre 1707 her ein Posten verdorbenen Mehls vorhanden, aus dem 
sich verkäufliches Brot nicht mehr herstellen lasse; vielleicht könne man 
versuchen, es den Soldaten unter das Kommilfsbrot zu backen? 
Schliefslich bleibt aus dem ansehnlichen Aktenstofs, der sich nach 
und nach ansammelt, als brauchbares Material nur ein Gutachten des 
Konsulenten Scheurl vom 8. November 1736 übrig, das eine Reform der 
Losungeinschätzung empfohlen hatte. Man hatte es anfangs, in der Hoff- 
nung auf bessere Ratschläge, nicht hinreichend gewürdigt. Am 4. No- 
vember 1743 greift der Rat darauf zurück, indem er befiehlt, es solle 
sofort aufgesucht werden, damit man „punctatim darüber deliberieren“ 
könne. Elf Tage vergehen, bis die Losungstube festgestellt hat, dafs be- 
sagtes Gutachten schon seit längerer Zeit in der Ratslade bereit liege, und 
nach weiteren acht Tagen kann der Losunger, Herr Volkamer, dem Rat 
berichten, dafs es sich in der That am angegebenen Orte gefunden habe, 
worauf der Beschlufs ergeht, man solle sich gleich morgen — nämlich 
am 22. November 1743 — pünktlich um ein Uhr versammeln, um über 
diese „äufserst dringliche“ Angelegenheit zu verhandeln. Dies geschieht, 
und das Ergebnis ist ein Verlafs, der das Losungsamt auffordert, über die 
Scheurlschen Vorschläge ein Obergutachten auszuarbeiten. Das Amt 
braucht ein volles Jahr, um festzustellen, dafs sie „teils überflüssig, teils 
unrealisierbar“ seien. Aber der Rat läfst sich dadurch nicht entmutigen; 
am 4. Dezember 1744, d. h. drei Wochen, nachdem ihm der losungsamt- 
liche Bericht zugegangen ist, beschliefst er von neuem, „dieses wichtige 
Werk morgen eine halbe Stunde nach Garaus in Deliberation zu nehmen“. 
Zu welchem Ergebnis diese -Deliberation geführt hat, können wir 
nicht sagen, wir wissen nur, dafs sie im Jahre 1747 noch immer fort- 
dauerte. So tief war, dank der Bureaukratisierung des Rats, die Technik 
der Verwaltung herabgesunken! 
Dafs unter solchen Umständen selbst tüchtigen Männern, an denen 
es im Patriziat nie ganz gefehlt hat, die Lust zum Reformieren verging, 
und dafs im Bewufstsein der eigenen Ohnmacht bei den einzelnen Rats- 
mitgliedern das Veranwortlichkeitsgefühl in bedenklichem Grade schwand, 
ist begreiflich genug. Gewifßs war das Halbdunkel, in dem seit Beginn
	        
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