Volltext: Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs (1. Band)

112 Vierter Teil. Die öffentlichen Einnahmen von 1431 bis 1440. 
angelegte Kapital durch einen vorzeitigen Tod des Kindes verloren ging, 
Die grofse Kindersterblichkeit, die sich im Mittelalter beobachten läfst, 
zog einem derartigen Glücksspiel enge Grenzen. Wo wirklich einem 
Kinde ein Leibgeding gekauft wird, handelt es sich denn auch oft, So- 
viel wir erkennen können, nicht sowohl um eine spekulative Kapital- 
anlage, sondern vielmehr um einen verhältnismäfsig bescheidenen Not- 
pfennig, welchen wohlhabende Eltern, unbekümmert um den daraus für 
sie entstehenden Gewinn oder Verlust, ıhrem Spröfsling für alle Fälle 
nit auf den Weg zu geben wünschen. Indem aber so die Mehrzahl der 
Rentenkäufer in dem Leibgeding viel mehr die lebenslängliche Versorgung 
als die Gelegenheit zu gewinnbringender Kapitalsanlage schätzten, kam 
man garnicht auf den Gedanken, eine folgerichtig durchgeführte Gewinn- 
and Verlustberechnung aufzustellen, sondern man begnügte sich, Leistung 
und Gegenleistung gefühlsmäfsig so gegeneinander abzumessen, dafs Käufer 
ınd Verkäufer damit zufrieden sein konnten. Für jede zehn Gulden, mit 
Jenen der Rentengläubiger dem Schuldner für den Augenblick zu Hilfe 
kam, versprach ihm dieser künftighin sein Leben lang alljährlich einen 
Gulden zu geben. War die Nachfrage nach Leibrenten grofs, so schlug 
der Verkäufer mit dem Preis auch wohl um einen Gulden auf. Liefs die 
Kauflust nach, so begnügte er sich an Stelle der zehn Gulden mit neun. 
Yon einer allmählichen Aufzehrung der Kapitalschuld war dabei keine 
Rede: solange der Rentengläubiger lebte, blieb sie vielmehr als Grundlage 
ler Versorgungspflicht in ihrem vollen Umfange bestehen, und erst mit 
seinem Tode erlosch sie zusammen mit dem Versorgungsanspruch, der auf 
hr ruhte. 
Aus solchen Anschauungen heraus läfst es sich wohl verstehen, wie 
nan dazu kam, der Leibrente einen vom Lebensalter des Käufers un- 
abhängigen Kapitalwert zuzuschreiben und sie, wie wir schon früher 
sahen, nach diesem Kapitalwert auch zu besteuern. Wenn die Stadt die 
Wahl hatte, wird sie bei der Leibrentenausgabe natürlich den schon 
jetagten Käufer jedem jüngeren unbedingt vorgezogen haben. Darauf 
scheint schon der obenerwähnte Ratsverlafs hinzuweisen, der sich aus- 
Articklich auf die Zulassung jugendlicher Käufer bezieht. Aber soviel 
steht fest, dafs, wenn die Kaufkraft der Alten nicht hinreicht, um den 
Finanzbedarf der Stadt zu decken, das Leibgeding zu genau denselben 
Bedingungen auch an jüngere Personen abgegeben wird. 
Der Mangel einer ausreichenden rechnerischen Grundlage scheint 
gewirkt zu haben, dafs der Stadt das gegen Leibrenten aufgenommene 
Kapital unverhältnismäfßsig teuer zu stehen kam; denn wenn wir die 
51% bis 6%, mit denen sie das Leibrentenkapital höher verzinste als das 
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