Beim Meister Wolgemut.
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in den beiden letzten Nächten gemalt, mein guter Wilibald, das
bringe ich dir, daß du es nehmest zu meinem Gedächtnis.“
Was er der Mappe entnahm, war ein Edelfräulein auf
weißem Zelter, einen Falken auf der Hand, mit stolzem Feder—
barett und lang herabwallendem himmelblauem Kleid.
Wilibald sah es mit Entzücken und dankte dem Freunde
mit besonders warmem Wort. „Solches Stücklein ist noch nicht
von deiner Hand gekommen, Albrecht“, setzte er hinzu. „Schon
jetzo, da du noch nicht einmal Gesell heißest und niedrigen Knechtes—
dienst versehen mußt, bist du ein Meister, und immer stolzer
werde ich der Ehre, dein Freund zu heißen.“
Damit umarmte er stürmisch den geliebten Kameraden und
drückte ihm einen Kuß auf die Stirn. Dann nahm er das Bild
wieder zur Hand. „Welch eine liebliche Gestalt und welch ein
minnigliches Antlitz! Es schauet mich so vertraut an, als hätte
ich's schon irgendwo gesehen.“
Er legte nachdenklich den Finger an die Nase und schwieg
geraume Zeit, dann fuhr er mit einem Ruck empor, sah Albrecht
groß an und rief: „Jetzund weiß ich es: das Edelfräulein trägt
das Antlitz der Agnes Freyin. Ist's nicht also?“
Mit einer abwehrenden Handbewegung wendete sich Albrecht
zur Seite, um die schnelle Röte zu verbergen, welche ihm bei
dieser Entdeckung des Freundes ins Gesicht heraufstieg.
Hatte Wilibald nicht recht gesehen? Waren das nicht
wirklich die Züge der Jungfrau, welcher er vor etlichen Jahren
das Ringelein gelötet?
Er hatte es nicht beabsichtigt, aber unwillkürlich war ihm
aus der Hand gekommen, was in seinem Herzen lebte. Er
hatte das Bild des schönen Mägdleins nicht wieder vergessen
können. Bei jeder Gelegenheit hatte er ihr zu begegnen gesucht,
er wußte, wann sie zur Messe ging, und richtete es so ein,