Was macht einen Künstler gross? Ist es allein eine stattliche Reihe vollendeter Werke, welche durch ihre Formenschönheit auch Jann noch das Auge erfreuen und die Phantasie gefangen nehmen, nachdem ihr Inhalt gleichgültig geworden ist oder doch nicht mehr anmittelbar frisch zum Herzen dringt? Die Vollkommenheit der Darstellung durchbricht die Schranken, welche die Zeit sonst der vollen Wirkung einer künstlerischen That entgegenzustellen pflegt. Ihr danken die berühmten Schöpfungen der hellenischen Kunst und jann wieder zahlreiche Werke italienischer Meister aus dem sech- zehnten Jahrhundert ihre dauernde Mustergeltung. Mit solchem Massstabe gemessen wird Albrecht Dürer, den wir als unsern grössten Künstler preisen, gar manchen Ruhmestitel ein- büssen. Selbst feurige Verehrer schütteln zuweilen bedenklich den Kopf über Dürers Gestalten, welche „Menschen ‚und Grillen zugleich unser gesundes Gehirn zerrütten.‘ Sie klagen, dass Dürer „sich nie zur Idee des Ebenmasses der Schönheit erheben konnte,“ und bekennen, dass seinem „unvergleichlichen Talente eine trübe Form and bodenlose Phantasie geschadet hat.‘