— 96 — fie ift ausgemergelt und gar verderbt. Der Nachbar bedrängt den Nachbar, in den Städten ift Spaltung und Empörung, und ganz Deutfchland wird heimgefucht mit Brand, Raub und Mord und es badet im Blute. Eckhart fol ihr raten, es gibt feinen Verzug mehr, denn die Art liegt fchon an des Baumes Wurzel. Er meint nun, die Schuld liege an ihr felbft, denn fie fei nicht in dem hellen £icht, das ihr Gott in milder Gnade habe {cheinen laffen, gewandelt, fondern in der S$infternis, Und auf ihr weiteres $lehen rät er ihr, fich zu Bott zu befehren und Früchte der Buße zu wirken, dann wird er das Herz des Adlers durch des Lichtes Klarheit erleuchten. Sie felbft aber foll bei dem Lichte bleiben, fo wird Gott fie nicht verlafjen, der viele Wege der Hilfe Kennt. Als gegen Ende des NYahres 1546 die Sache der Fürften immer {chwieriger ward, Herzog Morig von Sachfen zur Partei des Kaijers abfiel, das Schmalfaldifche Heer in UnthätigFeit verharrte und fich fogar zum Teil auflöfte, da ließ Hans Sachs nochmals feine Stimme vernehmen. Er {fchildert, wie der Heiland felbft, verraten und zum Tode verurteilt durch die „hohen Priefter und Sürften“, durch die „hohen Schriftgelehrten und Pharifäer“, auf feiner Sucht von Deutjichland nach Eayp- ten dem Nördlinger Boten begegnet, dem er feine Leiden und Drangfjale erzählt. Der Dialog enthält deutliche Anfpie- lungen auf das Konzil zu Trient, auf Papft und Kaifer, die Stellung Bayerns, den Abfall Morig’ von Sachjen, das Der: hältnis der Bifchöfe und Klöfter, die ablehnende Haltung der Reichsitädte. Auch das Interim, das der Kaifer 1548 in Augsburg zum großen Schaden der evangelifchen Sache durchjekte, findet in dem Dichter einen heftigen Befämpfer. In einer Allegorie führt er die Wahrheit vor, die, von der Gleisnerei in ein von der Yiedertracht gewebtes vielfarbiges Kleid gezwängt, elend und von Hecheln gemartert, gefangen liegen muß. So nimmt unfer Dichter, ein warmer Patriot und echter Deuticher, an den politifchen wie religidjen Dorgängen im Daterlande den innigften Anteil. Religion und Politik hingen damals auf das unzertrennlichfte zufammen, fie durchdrangen fich gegenfeitig. Und Religion und Politik oder, hier beffer gefagt, Religion und Yaterland find es, die das Denken des Dichters