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Tabernakel ist mit weißer Tuͤnche überschmiert, so daß der Ausdruck
in den Gesichtern meist unkenntlich ist.
Wanderer und nach ihm Bode wollen in dem außen an der Kirche
befindlichen lberg dieselbe Hand erkennen, die das Sakraments⸗
häuschen anfertigte. Mag dies sein. Bode hebt noch besonders her⸗
vor, daß der genannte lberg durch feine Anordnung und namentlich
durch die sehr individuelle ausdrucksvolle Gestalt Christi zu den besten
dieser Art in Deutschland gehöre. Die Gestalt Christi, leider schlecht
erhalten, zeichnet sich durch schöne Gewandung und Haltung aus;
besser noch ist die Gestalt Christi auf dem noch zu besprechenden
Harsdörferschen ÖOlberg von Adam Krafft.
Das einfache und übertünchte Gehäuse zu Ottensoos bei Nüͤrn—
berg fällt ganz aus der Reihe der Krafftschen Arbeiten heraus. Der—
artige Tabernakel mögen noch viel in Franken und Schwaben zu
finden sein. Wollte man darin etwas von Krafft verspüren, so wäre
das nichts anderes, als ob man einem Baumeister alle einschiffigen
Kirchen, einem einzigen Holzschnitzer alle aufklappbaren Altaͤre zu⸗
chreiben wollte.
Das gut erhaltene Tabernakel? in der Stadtkirche zu Fürth hat
ebenfalls mit Kraffts Arbeitsweise nicht das geringste zu thun. Die
Christus anbetende männliche Figur (Joseph) und die zur Seite
darunter befindliche fallen durch steife Haltung, zu großen Kopf und
oerruͤckenartig dickes Haar auf. Wenn die beiden schönen Apostel
in prächtiger Gewandung auf der rechten Seite des Ciboriums, welche
die auffallendste Ähnlichkeit mit den vorzuglichen Eckgestalten am Se—
baldusgrabe von Peter Vischer?) haben, ja fast treue Kopieen sind,
aicht später an die Stelle früherer Figuren gesetzt sind, so ist das Ta—
bernakel erst entstanden, als die Formensprache der italienischen
Renaissance bereits in Deutschland eingedrungen war, und ihr mäch⸗
tiger Einfluß sich in Kunst und Litteratur überall geltend machte. Da
das Sebaldusgrab erst im Jahre 15199 fertig war, wie uns Vischer
selbst durch eine Inschrift am Sockel belehrt, wäre das Tabernakel
nach dieser Zeit entstanden. Damals war Krafft etwa zwölf Jahre tot.
) Aus roherem Stein.
) Jetzt mit lfarbe überstrichen.
) Der in dem Buche lesende Apostel mit kahlem Schädel ist Judas Thaddäus,
der mit dem Schwerte Paulus. Souderbar ist es, daß die anderen Figuren be⸗
deutend schlechter sind.
Am 19. Juli 1519 wurde es in St. Sebald aufgerichtet.