12i
Dürfen wir Schottel als den besten Kenner der deutschen
Sprache im 17. Jahrhundert ansehen,* so ist Daniel Georg Mor-
hof als der beste Kenner der Literatur zu bezeichnen. Mit ihm
hebt eigentlich die Literaturforschung an und man kann seinen
„Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie“ (Kiel, 1682)
immerhin als die erste Grundlegung zu einer deutschen Literatur-
geschichte gelten lassen. Morhof kennt Hans Sachs und er kennt auch
Urteile über ihn,® eine befriedigende Charakteristik dürfen wir aber
mit Rücksicht auf die mehr Ääußerlichen, kompilatorischen Be-
strebungen seiner Zeit nicht erwarten; in der Charakterisierung
Hans Sachsens ist ihm Hofmannswaldau, den er auch erwähnt,
jedenfalls überlegen. Im 7. Kapitel „Von der Teutschen Poeterey
andern Zeit“ bringt er einige dürftige Nachrichten von Hans Sachs;
er wundert sich, „daß ein Handwercksmann der Lateinischen und
Griechischen Sprach unkündig, so mancherley Sachen hat schreiben
können, die nicht ohne Geist sein“, und führt anschließend -, das
Urteil Hofmannswaldaus an. Er erwähnt ferner, daß Schopper ihn
den deutschen Vergil genannt habe, und zwar für Hans Sachsens
Zeit mit Recht. Aber wenn Morhof zur Begründung sich äußert:
„dann es ging seine Poeterey auch ultra crepidam, und unter den
Blinden kan auch ein Einäugiger König sein, im Finstern auch ein
faules Holtz glänzen“, so wird seinem günstigen Urteil doch gleich
ein Dämpfer aufgesetzt. Morhof kommt dann auf das Wort Bar zu
sprechen — es sei ein deutsches Wort und bedeute Lied —, er ver-
weist dabei auf mehrere Stellen bei Hans Sachs und auf den Zu-
sammenhang mit dem Taciteischen barritus. Das Wörtchen Bar hat
den Erklärern späterhin noch manche Schwierigkeit bereitet. 3 Morhof
weiß dann nach Hans Sachs „niemand zu nennen. der einige des
etwas ab von der Auffassung, die die Gelehrten an der Wende des Jahr-
hunderts Hans Sachs zuteil werden ließen. (Ein Exemplar der Disputation
in der Hof- und Staats-Bibl. in München, Diss. 333).
1 Friedr. Ernst Koldewey, Justus Georg Schottelius und seine
Verdienste um die deutsche Sprache, in der Zeitschrift für den deutschen
Unterricht 13 (1899), S. 90.
2 Unterricht S. 374—379 und Vorrede an den Leser.
3 Zu der von O. Plate nach Martin gegebenen Erklärung (Straßburger
Studien, 3 (1888), S. 181) möchte ich bemerken, daß sich in einer ober-
österreichischen Meistersängerhandschrift ein Ton „Paratreim“ findet (Wid-
mann. Zur Gesch. und Lit. des Meistergesanges in Oberösterreich. S. 22).