Auf dem Luginsland.
Sanftmut, seine alle seine Umgebungen anziehende Herzlichkeit und
Gutmütigkeit, in der er anfangs immer nur mit Thränen und jetzt,
nach eingetretenem Gefühl der Freiheit, mit Innigkeit selbst seines
Unterdrückers gedenkt, die zuerst in heißer Sehnsucht () nach seiner
Heimat, seinem Kerker und seinem Kerkermeister bestandene, dann
aber in wehmütige Erinnerung übergegangene und erst jetzt durch
liebevolle Behandlung allmählich verschwindende Anhänglichkeit ()
an das Vergangene, die eben so aufrichtige als rührende Ergebenheit
an alle diejenigen, welche häufig mit ihm umgehen und ihm Gutes
erweisen, sein Vertrauen aber auch gegen alle anderen Menschen,
seine Schonung des kleinsten Insekts, seine Abneigung gegen alles,
was einem Menschen oder Tier nur den leisesten Schmerz verursachen
könnte, seine unbedingte Folgfamkeit und Willfährigkeit zu allem
Guten eben so sehr als seine Freiheit von jeder () Unart und Un—
tugend, verbunden gleichwohl mit der Ahnung dessen, was böse ist
und endlich seine ganz außerordentliche Lernbegierde, durch die er
mit Hülfe eines eben so schnell fassenden als treuen Gedächtnisses
seinen Wörter-Vorrat, der anfangs kaum in 50 Wörtern bestand,
bereichert und bereits Vorstellungen und Begriffe von vielen Gegen—
ständen — deren er außer denen, welche in seinem Kerker waren,
keine ()) kannte — und jetzt auch von Zeit und Raum erlangt hat,
seine ganz besondere Vorliebe für die ihm früher ganz (7) unbekannt
gewesene Musik und das Zeichnen, seine Neigung und Geschicklichkeit,
beide zu erlernen, und seine ganz ungemeine Ordnungsliebe und
Reinlichkeit — so überhaupt sein ganzes kindliches Wesen und sein
reines unbeflecktes (s) Innere — diese wichtigen Erscheinungen zu—
sammen geben in demselben Maße, in welchem sie seine Angaben
über seine widerrechtliche Gefangenhaltung unterstützen und bekräftigen,
die volle Ueberzeugung, daß die Natur ihn mit den herrlichsten ()
Anlagen des Geistes, Gemüts und Herzens reich ausgestattet hat.
Sie berechtigen aber auch eben deshalb und bei genauer Prüfung
des sich durchaus als unwahrscheinlich und erdichtet darstellenden
Inhalts des (oben S. 12) abgedruckten Briefs zur dringenden Ver—
mutung, daß mit seiner widerrechtlichen Gefangenhaltung das nicht
minder schwere Verbrechen des Betrugs am Familienstande verbunden