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„Wenn's Euch freut, Herr,“ wandte sie sich mit ihrem
offenen, freimütigen Gesichte mir zu, „so will ich Euch die ein—
fache Geschichte erzählen: Der Michel war ein Gemeiner und
ich Putzmacherin. Sieben Jahre waren wir mit einander
gegangen, dann kam der Krieg und der Michel, der Trompeter
war, mußte mit. — Am Abend vor dem Ausrücken, da blies er
zum letzten male drüben hinter der Mauer, daß ich's vom Fenster
aus hören mußte: „Muß i denn, muß i denn zum Städtele naus.“
So schwer, ach so schwer war's uns beiden ums Herz, als
sollten wir uns nimmer wiedersehen.
Am Morgen eh' er ging, langte er mir noch schnell ein
Stöckchen Vergißmeinnicht herein und sprach: Da, pfleg sie gut;
wenn sie fortkommen, dann ist's ein Feichen, daß ich heimkehre
— und gehen sie ein — — dann denk, die Feindeskugel hat
mich durchbohrt, und vergiß mich nicht!“
„Ich meint damals, ich könnt's Leben nimmer ertragen vor
Sorg' und Angst um den Michel.“
„Weiß der Herrgott!“ schaltete die alte Mutter ein.
„Was das für Tage waren! Die vergeß ich nicht, so lang
ich leb!“
„Die Vergißmeinnicht,“ fuhr die Erzählerin fort, „hab ich
in den Kasten eingesetzt und sie gehegt und gepflegt und immer
schöner und schöner sind sie geworden und immer buschiger, und
da hab ich wieder Hoffnung und Mut bekommen.
Und richtig — eines Tag's kommt mein Michel heim. Ich
hätt ihn bald nicht erkannt, so sonnverbrannt und mager war
er geworden.
„Gustel,“ sagt er, „nimmst mich denn noch mit einem Arm?
Schau, der andere ist noch in Frankreich drüben!“
Wehmütig mußte ich bei ihren Worten auf meinen eigenen
linken Arm blicken, er war wohl noch daran, aber steif und
unbrauchbar.
„Ob ich Dich nehm,“ rief ich, und flog meinem Michel
um den Hals. „Von mir aus hätt'st beide Arm' drüben lassen