Objekt: Das Hans Sachsfest in Nürnberg am 4. und 5. November 1894

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II. Die Festtage 6— 
„und in seinem Geiste über Erbsünde, Erlösung, Rechtfertigung 
ꝛc. ꝛc. disputieren; mehr als eigentümlich mutet es einen an, 
die ersten Menschen, die Erzväter mit den Lehren des Apostels 
Paulus vertraut zu sehen oder Gott selbst mit den Schriften 
des hl. Augustinus oder dem Katechismus Lutheri. Aber gerade 
diese Naivetät wirkte zündend auf die für die neue Lehre 
begeisterten Massen, die solchen Reden mit ganz besonderer 
Aufmerksamkeit lauschten. Diesem ersten Schritte zur Vervoll⸗ 
kommnung des Dramas folgte der zweite, daß er demselben 
durch die Bearbeitung weltlicher Stoffe eine neue Richtung gab 
und es wesentlich bereicherte. Die volkstümlichen Helden eines 
Siegfried, Dietrich, Fortunat, Tristan, einer Griseldis und 
Magelone boten ihm willkommenen Stoff, der ganz besonders 
geeignet war, gleich einem Magnet auf die Menge zu wirken 
und der Neuerung die Wege zu ebnen. Auch die griechischen 
und römischen Klassiker, die er aus deutschen Üübersetzungen 
kannte, sowie die Werke ausländischer Schriftsteller, z. B. 
Boccaccios, mußten ihm Stoff liefern, dessen Bearbeitung ihm 
allerdings weniger gelang, da ihm die jeweiligen Verhältnisse 
zu ferne lagen. 
An alle diese Versuche darf man aber keineswegs die 
gleichen Anforderungen wie an die klassischen Dramen stellen; 
diese Anforderungen waren Hans Sachs und seinen Zeitgenossen, 
die gelehrtesten mit eingerechnet, unbekannt. Außer der moralischen 
Tendenz war ihm die lebendige Vorführung einer Handlung 
vor den Augen der Zuschauer die Hauptsache; deshalb wiegt 
in allen seinen Tragödien und Komödien, zwischen welchen 
Gattungen er nicht genau unterschied, die epische Art vor; sie 
erscheinen als Erzählungen, in denen die Personen redend ein— 
geführt werden. Diese Personen sind immer Nürnberger, gleich— 
viel, ob sie Röͤmer oder Griechen, Juden oder Ritter dar— 
zustellen hatten, was aber niemand auffiel, vielmehr die dar— 
gestellten Personen den Zuschauern um so näher brachte, 
je mehr sie von dem Lokalen und Herkömmlichen an sich“
	        
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