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Dreizehntes Kapitel.
voll ist?“ fragte sie nicht ohne Befremdung, da sie die Ruhe
bemerkte, welche der Meister zu bewahren wußte.
„Auch zu meinem Ohr“, erwiderte Dürer, „ist die Kunde
von den Unfällen, so das kaiserliche Heer gehabt, gedrungen,
und ich trauere mit jedem deutschen Mann um solches Unglück;
doch um Euren Ehegemahl bin ich getrost: es ist ihm kein Leids
widerfahren.“
Frau Crescentia schaute starr zu dem Meister auf, dessen
Gebaren ihr immer unerklärlicher ward. „Schaut Ihr mit dem
Auge des Propheten ferne Dinge?“ fragte sie. „Meister Dürer,
wie möget Ihr so getrost seyn? Siehe, die Angst meiner Seele
ist so groß, daß ich nicht weiß, wo ich bleiben soll.“
Dürer nahm Frau Crescentia bei der Hand und führte sie
zu einem Sessel, dann nahm er neben ihr Platz und sprach:
„Es bedarf nicht des Prophetenauges, um zu wissen, daß es
um Euren Gatten wohl stehet: sein Schweigen ist Zeugnis genug.“
Frau Crescentia maß den Meister mit scheuem Blick, er
wurde ihr noch rätselhafter. „Wie soll ich solche dunkle Rede
deuten? Habet Erbarmen mit mir und redet also, daß ich es
verstehe!“
Dürer, welcher nur hatte prüfen wollen, ob Pirkheimer
seinem Weibe etwa beim Abschied denselben Bescheid gegeben
hätte wie ihm, merkte jetzt, daß das nicht der Fall sei, und
fragte sich, ob er das ihm Vertraute verraten dürfe. Da er
nun die Angst der Frau Crescentia sah und gewiß sein konnte,
daß die Mitteilung eine Trostkraft für sie haben würde, so ent—
schloß er sich, ihr den Grund seiner Ruhe kundzugeben. „Ihr
fragt, wohledle Frau, warum das Schweigen Eures Eheherrn
mir eine Bürgschaft für sein Wohlergehen sei? Siehe, der
Scheidende sprach zu mir diese Worte: ‚Nur wenn es um mich
übel stehet, sende ich einen Boten, und zwar an Euch, Albrecht,