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„einen britischen Sonderling“. Damit ist aber viel gesagt.
Solche britischen Sonderlinge, von denen man auf Reisen
wohl überall Prachtexemplare finden kann, leiden oft an einer
besonderen Idee, die sie zu unglaublichen Schritten führt.
Es ist eine allbekannte Thatsache, was für Riesensummen
solche Lords oft für ein berühmtes Pferd, einen berühmten
Hund oder eine berühmte Reliquie ausgegeben haben. Wenn
nun Stanhope auf die fixe Idee verfiel, eine Berühmtheit
wie Kaspar Hauser an sich zu bringen, so zeugt dies keines—
wegs von besonderem Spleen. Das „Kind von Europa“
bei sich zu haben, zu erziehen und vielleicht das Rätsel seiner
Geburt zu lösen, konnte schon manchem nüchtern Denkenden
als begehrenswertes Ziel erscheinen, wie viel mehr einem
britischen Sonderling. Das leidenschaftliche Bestreben Stan—
hopes, Hauser zu adoptieren und seine Affenliebe für ihn
haben hiernach nichts Befremdendes. Um seinen Wunsch er—
füllt zu sehen, suchte er vielleicht reicher zu erscheinen, als
er in Wirklichkeit war. Auch ist nicht undenkbar, daß ver—
mögende Freunde Hausers ihn pekuniär unterstützten, damit
er seinen Zweck erreiche, in der Meinung, er sei der geeignete
Mann, um die Hauserfrage zu lösen.
Als Argument gegen Stanhope bringt Herr v. Artin
vor, daß der Lord bald nach dem Mordanfall i. J. 1829
sich in Nürnberg aufgehalten hat. Ja, einige wollten ihn
schon zur Zeit des Attentates im Gasthofe zum wilden Mann
gesehen haben. Abgesehen davon, daß letztere Angabe auf
sehr schwachen Füßen steht, ist ein Zusammenhang zwischen
der Verwundung Hausers und dem Aufenthalte Stanhopes
in Nürnberg und dessen Interesse für Kaspar leicht denkbar.
Der Lord, welcher vielleicht auf einer Reise begriffen war,
die mit Hauser in keiner Beziehung stand, hörte von dessen
Verwundung, wurde dadurch von eigentümlichem Interesse
für ihn gefaßt und begab sich schleunigst nach Nürnberg