898 Sechster Teil. Ergebnisse und Entwicklung von 1377 bis 1794.
lich war. Die Territorialstaaten, welche sich im Laufe des sechzehnten
und siebzehnten Jahrhunderts entwickelten, waren dagegen als öffentliche
Verwaltungskörper der Stadt in jeder Beziehung ebenbürtig und an Macht
weit überlegen, sodafs ihnen. gegenüber für den Rat sowohl die Notwendig-
keit als auch die Möglichkeit fortfiel, die unbedingte Selbständigkeit der
städtischen Haushaltung zu wahren. Kine verständige, nur auf die all-
gemeine Wohlfahrt gerichtete Politik hätte es sich demnach zur Aufgabe
machen müssen, nunmehr zu einem Einverständnis mit den ansbach-
baireuthischen Markgrafen zu gelangen, um Nürnberg unter Aufrecht-
erhaltung seiner Selbstverwaltung an Stelle der tausendfältigen nachbar-
lichen. Schikanen die Vorteile und den Schutz eines gröfseren Territorial-
verbandes zu gewinnen. Ein solcher Gedanke war aber für das in
Vorurteilen eingerostete Patriziat der späteren Zeit ganz unfalsbar. Dafs
die Territorialpolitik der Vorväter fortgesetzt werden. müsse, galt ‚den
Enkeln gewissermafsen als Standespflicht. Da sie aber gar nicht mehr in
der Lage waren, sich den alten Rivalen gegenüber aus eigener Kraft zu
behaupten, suchten sie Schutz bei der Macht, der vor allem daran gelegen
war, die staatliche Konsolidation Süddeutschlands zu hintertreiben, beim
Hause Habsburg. So kam es, dafs die österreichischen Interessen seit
dem Ausgange des siebzehnten Jahrhunderts für die äufsere Politik Nürn-
bergs die malsgebenden wurden. Sie haben die Stadt in die Kriege des
achtzehnten. Jahrhunderts, vor allem in den Siebenjährigen Krieg gestürzt
und wesentlich dazu beigetragen, die unheilvollen nachbarlichen Gegensätze
in Franken zu verschärfen anstatt sie auszugleichen.
Freilich mufs es ja dahingestellt bleiben, ob die Einigung zwischen
der Stadt und den fränkischen Fürstentümern wirklich erreicht worden
wäre, wenn an Stelle einer verknöcherten Adelsclique die Träger des wirt-
schaftlichen Fortschritts im Rate gesessen hätten. Der in allen Kreisen
der Bevölkerung tief eingewurzelte reichsstädtische Partikularismus, und
die kleinliche Politik der Nadelstiche, durch welche die späteren hohen-
zollerschen Markgrafen den Nürnbergern ihre Unabhängigkeitsgelüste aus-
zutreiben versuchten, waren Klippen, an denen leicht auch die beste Einsicht
scheitern konnte. Aber sobald sich die Kaufmannschaft ernstlich an dem
öffentlichen Leben zu beteiligen begann, wurden doch in der That Stimmen
in ihr laut, welche darauf hinwiesen, dafs dem habsburgischen Kaiser
nicht sowohl an dem Gedeihen als an der Abhängigkeit der Reichsstädte
gelegen sei. Halten wir hiermit die Thatsache zusammen, dafs sich die
Bürgerschaft unter dem Eindruck der französischen Invasion mit über-
wältigender Majorität für den Anschlufs an Preufsen erklärte, und be-
trachten wir die überraschende Schnelligkeit, mit "der sie sich nach ihrer