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In Bezug auf die Art und Weise, wie das Institut ins Leben gerufen werden
soll, hat sich die Kommission meinen Vorschlägen vom ersten Tage angeschlossen.
Es soll versucht werden, auf privatem Wege die Mittel zur Gründung desselben
zusammen zu bringen. Des weiteren soll als Vorbild die zoologische Station in
Neapel dienen. Erst nachdem die Gründung des Instituts durch die nötige Summe
zur Beschaffung einer wenigstens vorerst genügenden Bücher- und Abbildungs-
Sammlung und für die ersten Unterhaltungskosten gesichert ist, werden wir mit
einiger Aussicht auf Erfolg uns an die Regierungen wenden können, mit der Bitte,
das Institut zu subventionieren und damit auch den Fortbestand desselben zu
sichern. Bei Einer Regierung können wir schon jetzt auf Wohlwollen für das
Unternehmen rechnen, bei der preussischen, denn ich kann Ihnen die angenehme
Mitteilung machen, dass gestern an unsern Herrn Präsidenten ein Telegramm von
Herrn Geheimrat Jordan eingelaufen ist, in welchem er seine lebhafte Zustimmung
zu dem Antrag auf Gründung des Instituts ausspricht.
Auch in der schwierigen Frage, ob das Institut ein deutsches oder ein inter-
nationales sein soll, scheint eine Lösung gefunden zu sein. Der Kongress ist der
Vater des Instituts, und auf dem Kongress sind Deutsche aus allen Ländern ihrer
Sprache und diejenigen Nationen vertreten, welche mit der deutschen Kunst-
‘"orschung eng zusammhängen: Holland, Belgien, Skandinavien, Ungarn; es ergibt
sich somit von selbst, dass das Institut ein von deutscher Seite ausgehendes Unter-
nehmen der deutschen und der mit der deutschen Kunstwissenschaft eng ver-
bundenen Nationalitäten ist.
Die Kommission hat eine aus den Herren Bayersdorfer, Neuwirth und dem
Referenten bestehende engere Kommission gewählt und dieselbe mit der Aus-
arbeitung eines Aufrufes betraut, welcher dann in der grösseren Kommission durch-
yesprochen ist, und den wir Ihnen hiermit zur Begutachtung vorlegen.
Aufruf zur Gründung eines kunstgeschichtlichen Instituts.
Wer sich mit kunstgeschichtlicher Forschung heschäftigt, dem stehen zwar an
einer Anzahl von Universitäten und an einigen der grossen Museen Europas für
seine wissenschaftlichen Arbeiten eine Bibliothek und ein Abbildungsapparat zur
Verfügung, dagegen entbehrt er an den meisten Stätten, welche für kunstgeschicht-
liche Forschung an Ort und Stelle von Wichtigkeit sind, jedes Hilfsmittel.
Deshalb hat der in Nürnberg vom 25. bis 27. September .d. J. tagende kunsthistorische
Kongress beschlossen, die Gründung von Anstalten. zu bewerkstelligen, welche die
kunstwissenschaftliche Arbeit an solchen Orten erleichtern und fördern sollen.
Bei der Wahl des Landes und der Stadt, wo das erste derartige Institut ins
Leben treten soll, hat der Kongress sich gefragt, wo das Verlangen danach am
dringendsten empfunden wird, und ist zu dem Schlusse gekommen, dass nirgends
die Gründung einer solchen Anstalt notwendiger erscheint als an der vornehmsten
Stätte kunsthistorischer Studien, in Florenz. Die Italien besuchenden Archäologen
haben seit mehr als sechzig Jahren an dem deutschen archäologischen Institut in
Rom einen vortrefflichen Anhaltspunkt. Es besteht seit langer Zeit das sich fort-
gesetzt steigernde Bedürfnis, auch für die neuere Kunstforschuneg in Italien eine Heim-