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genötigt, in dessen Namen als des Königreichs Bayern Verweser das
Steuer des Staates selbst in die Hand zu nehmen. Er übernahm die
schwere Bürde der Regentschaft, nachdem er bereits das 65. Lebensjahr
zurückgelegt hatte, in einem Alter also, in dem die meisten Menschen, von
der Last ihrer Lebensarbeit ermüdet, sich nach Ruhe und Erholung sehnen.
Prinzregent Luitpold aber wußte noch nichts von Ermüdung. Von
Jugend auf an Abhärtung und kräftige Bewegung, sowie an streng
geregelte und mäßige Lebensweise gewöhnt, hatte er sich im Alter eine
Rüstigkeit des Körpers und eine Frische des Geistes und Gemütes bewahrt,
die ihn befähigte, jede Anstrengung, die seine Stellung als Oberhaupt
des Staates mit sich brachte, mit Leichtigkeit zu ertragen. Aber auch in
anderer Hinsicht war er für sein hohes Amt wohl vorbereitet. Hatte er
doch in einem langen, arbeitsvollen Leben, unter der Regierung dreier
Könige, die ihm als ihrem treuesten Berater rückhaltloses Vertrauen
schenkten, durch beständige Teilnahme an den Sitzungen des Staatsrats
und des Reichsrats, durch den persönlichen Verkehr mit Fürsten und
Staatsmännern, wie mit Personen aus allen Ständen des Volkes eine
reiche Lebenserfahrung, eine gereifte Menschenkenntnis und eine tiefe Ein—
sicht in die verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung gewonnen. Was
ihn aber vor allem auszeichnete, das war ein hohes Pflichtgefühl und
ein strenger Gerechtigkeitssinn, gepaart mit der größten perfönlichen
Liebenswürdigkeit und einer herzgewinnenden Leutseligkeit.
In gerechter Würdigung der Verdienste, die sich die bisherigen
Minister in schwerer Zeit um das Wohl des Landes erworben hatten,
nahm er das Entlassungsgesuch, das diese dem Herkommen gemäß dem
neuen Herrscher einreichten, nicht an. Vielmehr erließ er gleich am
folgenden Tage (6. Juli 1886) an dieselben ein Handschreiben, in dem er
sie in herzlichen und anerkennenden Worten seines vollsten Vertrauens
versicherte und um ihre fernere Mitarbeit ersuchte.
Hielt er so in Treue an den bewährten Räten der Krone fest, so
hielt er es auch für seine Pflicht, die althergebrachten Gebräuche in dem
Leben des koniglichen Hofes, die in den letzten Jahren in den Hinter—
grund getreten oder in Vergessenheit geraten waren, wieder zu erneuern
und den früheren herzlichen und ungezwungenen Verkehr seines Hauses
mit dem Volke wieder herzustellen.
Schon kurz nach seinem Regierungsantritte nahm er am Fron⸗
leichnamsfeste alter Sitte gemäß an der großen Prozession teil. Ebenso
erschien er am heiligen Weihnachtsfeste, wie an den hohen Festtagen der
Osterwoche an der Spitze des Hofstaates in der Allerheiligenhofkirche zu
Messe und Hochamt. Am Gründonnerstag hatten die bayerischen Fürsten