Objekt: Zu Nürnberg

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Müntzer war ein strebsamer junger Mensch, der es ernst mit der 
Arbeit nahm. Gewissenhaft hatte er bis jetzt seine Rontrole 
geübt — doch als plötzlich von der steinernen Wendeltreppe her 
eine helle Stimme den Kaufherrn anrief, schienen sich die Gedanken 
des Schreibers zu verwirren. 
Wie magnetisch angezogen, wandte er den dunklen Kraus— 
kopf zur Seite und über das hübsche Antlitz flog eine helle Röte. 
Der liebliche Störenfried — Vestner's Töchterlein — nickte ihm 
fast unmerklich zu und verschwand wieder. Heißen Blickes starrte 
Willibald auf die Stelle, an der sie gleich einer lichten Engels— 
gestalt erschienen war; doch nur sekundenlang — dann riefen 
zürnende Worte des Kaufherrn ihn in die rauhe Wirklichkeit 
zurück. Erschrocken und beschämt holte er das Versäumte 
nach und atmete erleichtert auf, als der letzte Ballen eingebracht 
war. Fast zu gleicher Seit schlug die Feierabendstunde. 
„Ein herrlicher Abend heut'“ sprach, als die Schreibstube 
geschlossen war, der Buchhalter Veit Wenzel Willibald an. „Ich 
werde einen Spaziergang über die Felder machen, kommst Du mit?“ 
„Ja gern — recht gern, die Luft wird mir gut thun,“ ent— 
gegnete der Angeredete in seltsam gepreßtem Ton. 
Der Buchhalter, ein älterer Mann, betrachtete seinen jungen 
Freund und Schützling besorgt. 
„Was ist Dir? Bist Du krank? Oder hast Du Dir etwas 
zu Schulden kommen lassen?“ 
„Nein — ja — ich sag' es Euch später — draußen!“ 
Wenzel schüttelte verwundert den Kopf und schweigend 
wanderten die Beiden durch die engen Gassen und Gäßchen der 
Stadt zum Burgthor hinaus. Erst ging's ein Stück um den 
Graben, dann an den großen in üppigster Pracht stehenden 
Härten hinter der Veste vorüber, bis sie endlich auf den schmalen 
Feldweg gelangten, der nach dem Dörfchen Großreuth führt. 
„So mein Sohn,“ begann der Buchhalter, als sie eben 
einsam zwischen wogenden Kornfeldern hindurch schritten, „nun 
sind wir „draußen“, nun beichte!“
	        
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