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Kann Paulus als wissenschaftlicher Vertreter des Rationalismus
gelten, so war Stephani'!) sein Hauptverfechter in Schule und Kirche.
Ihn nennt Schubert nur „den Mann mit der unheimlich umwölkten
Stirn und dem ebenso unheimlichen Lächeln des Mundes.“ Gleich wie
Schubert sich Paulus das erste Mal vorstellte und mit ihm über die
Organisation der zu errichtenden Realstudienanstalt sprach, merkte er,
daß Paulus kein Interresse bezeigte. Bald kam es zu kleinlichen Nör—
geleien, — so wurde einmal die ganz unbegründete Anfrage gestellt,
warum sich drei Schüler wie Kosaken trügen, — endlich bei der ersten,
Ende September?) im Augustinerkloster gehaltenen öffentlichen Prüfung
zu einer sehr scharfen Auseinandersetzung. Schubert hatte als Lehrer
des Deutschen der mittelalterlichen Literatur als der Grundlage unseres
Schrifttums, namentlich dem Parcival und dem Nibelungenliede, rich—
tiger Weise seine Beachtung zugewendet. Da unterbrach Paulus nach
einiger Zeit die Prüfung und nannte ein solches Verfahren „kindisch
und abgeschmackt.“ „Welcher vernünftige Mensch mag sich in unsern
Tagen noch mit solchen längst vergessenen Kindereien einer Zeit be—
schäftigen, in der nur ein mönchischer Dünkel sein Wesen trieb, an eigent—
liche Bildung und Gelehrsamkeit aber gar nicht zu denken war.“s) Diese
Außerung ift ebenso charakteristisch für den Mann, wie für die damalige
Zeitrichtung. Die Aufklärung unterschätzte den Gedankeninhalt des
Mittelalters ebenso sehr, wie die aufsteigende Romantik ihn zu über—
schätzen pflegte. Später wurde das Verhältnis zu Paulus ein erträg—
licheres, namentlich seit dieser merkte, daß Schubert die Achtung und
das Wohlwollen des Generalkommissärs von Lerchenfeld in hohem
Maße genieße. Um so erfreulicher war das Verhältnis dem Leiter
der Studienanstalt gegenüber, war das doch niemand geringerer, als
der berühmteste Philosoph seiner Zeit, dessen Philosophie das erste
Drittel des Jahrhunderts wissenschaftlich beherrschte, G. M. Fr. Hegel.
Schubert nennt ihn „einen ehrenfesten Charakter, zuverlässig, billig
und gerecht gegen andere.“ Dabei war Hegel ein Muster und Vor—
bild in der Amtsführung, an den der Unberatene in den Werde—
1) Früher Konsistorialrat und Hofprediger in Castell, dann Kreisschulrat in
Ansbach, zuletzt Dekan in Gunzenhausen. Als Herausgeber einer theologischen Zeit—
schrift führte er den Verteidigungskampf für den Rationalismus mit schonungslosem
Eifer. Dadurch machte er seine Stellung unhaltbar; er mußte in's Vrivatleben
zurücktreten.
2) Später wurden dieselben Ende August gehalten.
3) Schubert Selbstbiographie II. 324-27.