Metadaten: Wilhelm Durandus: Rationale, dt. (1. Teil) – Nürnberg, STN, Cent. IV, 80

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Und doch, der scharfsichtige Prophet! er hat durch 
dieses äussere, abstossende Verhalten hindurch seinem 
Volke tief ins Herz geblickt und dort die aufkeimende 
Liebe, die emporspriessende Neigung zu dem Ewigen 
und Göttlichen entdeckt. Das Volk, das aus dem Sklaven- 
Jande Egypten zog — so musste der Prophet sich gesagt 
haben — das konnte nicht anders als dem . goldenen 
Kalbe huldigen und dem Sinnengenusse fröhnen, konnte 
nicht anders als widerspenstig und unbotmässig, ungläubig 
und gotteslästerlich sein. Jedes andere Volk auf solcher 
Stufe hätte unter den Gefahren und Widerwärtigkeiten 
der Wüste seinen Untergang finden müssen. Israel aber 
hat trotz aller Fehler und Verirrungen schliesslich den 
Weg zu Gott gefunden, Israel konnte trotz aller Schwächen, 
trotz aller Rückfälle in das Heidentum zu einem Gottes- 
volke erzogen werden, zu einer grossen Aufgabe, zu einem 
arhabenen Beruf, zum Träger der Gotteslehre, zum Be- 
gründer des Gottesreiches auf Erden. Gehörte nicht hierzu 
eine jugendliche Liebe und Huld, wert, vom Propheten 
noch nach einem Jahrtausend in schwärmerischen Worten 
gepriesen und gefeiert zu werden? Und wenn es uns 
auch nicht in den Sinn fallen kann, die Bildung und 
Entwickelung unseres Gemeindewesens mit jenen welt- 
geschichtlichen Vorgängen in altersgrauer Vorzeit in Gutem 
wie in Bösem vergleichen zu wollen, so ist doch das echt 
Menschliche in seinen Vorzügen wie in seinen Fehlern zu 
allen Zeiten sich gleich geblieben. 
Ja, meine Andächtigen! die Geschichte unserer 
Gemeinde vor Erbauung unseres Gotteshauses weist Er- 
scheinungen auf, die wir vom heutigen Gesichtspunkte 
aus betrachtet, kaum mehr begreifen können. Schon der 
Anfang einer Gemeindebildung vollzog sich unter den 
grössten Schwierigkeiten. Man hätte doch erwarten
	        
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