Frostschauder.
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gehört hatte von dem Findling zu sprechen“ (Giehrl), sondern er
besiegelte blutig „das an ihm verübte furchtbare Verbrechen.“
Jetzt ging die Geschäftigkeit der gläubigen Hauserianer erst recht
los! Binder erließ am 19. Oktober wieder eine Bekanntmachung
und behauptete, obgleich wieder kein Schatten eines Beweises vorlag,
daß „an unserm aus öffentlichen Blättern bekannten merkwürdigen
Findling Kaspar Hauser mit der größten Verwegenheit ein
Meuchelmord versucht wurde.“
Nach dieser offiziellen Anerkennung seines gelungenen Streichs
retouchierte Kaspar sein Schauergemälde immer von neuem. Jetzt
erst behauptete er, er hätte von dem Mordanfall eine Ahnung
gehabt. Nun kann allerdings einer, der etwas im Schilde führt,
sehr billig vorher „eine Ahnung“ davon haben. In diesem Falle
aber gesteht Daumer selbst, daß „Hauser sich erst nach dem Falle
mit Bestimmtheit äußerte, weil er — verlacht zu werden fürchtete.
Hausers nach dem Mordversuch gemachten bestimmten Angaben
zufolge fing die Ahnung am Montag und Dienstag vor dem Sonn⸗
abend, an welchem die That geschah, sich zu regen an und trat am
Mitiwoch mit voller Bestimmtheit ein. Es befiel ihn des Morgens
Angst und Frostschauder, mit der Vorstellung verbunden, es werde
jemand kommen und ihn umbringen. Dieses Gefühl hatte er die
vier Tage lang bis zur Begebenheit, und wenn es ihn verließ, so
kam es doch nach einer halben oder ganzen Stunde wieder. Wenn
er allein im Zimmer war, so kam es ihm vor, als sei ein (unbe—
stimmter) Mann darin, auf der Straße, als gehe ihm ein Mann
nach, nach welchem er sich auch umsah. Am Sonnabend vormittags
vor der That war das Gefühl am stärksten. Es befiel ihn mitten
auf dem Markte unter vielen Menschen mit Frostschauder und Vor—
stellung von Ermordung, die heute oder morgen an ihm geschehen
werde, so daß er seine Begleiterin, eine Person meines Hauses, ohne
ihr jedoch einen Grund zu nennen, antrieb nach Hause zu gehen.
Er hatte bestimmt die Vorstellung von Erschlagenwerden (nicht z. B.
von Erstochenwerden). Die Vorstellung, daß er in seiner Wohnung
ermordet werden sollte, hatte er nicht, er fühlte nur im allgemeinen
Angst vor Ermordung. Bis zum Sonnabend ward es mit jedem