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auf die Brust und erschwerte ihr noch mehr das
Atmen.
Gern trat sie der Schwiegertochter ihre Pflichten
ab. Sie schaute zu ihr, die bei des Schwiegerbalers
Worten errötet war und sich unwillkürlich deckte bei
dem Gedanken, so bald schon Herrin in diesem Haus
zu werden.
Ein schwarzer Mädchenkopf senkte sich aber
schwer nieder bei diesen Eröffnungen. Anne suchte
ihre tiefste Betroffenheit und den brennenden
Schmerz ob dieser Neueinrichtung vor den Ihren zu
verbergen.
Aber heiße, leidenschaftliche Gedanken bewegten
ihr Herz. Der Schwägerin Platz machen, diese
schalten und walten sehen, nicht mehr zu Hause sein,
wo sie die volle Häifte ihrer köstlichen glück. und
schmerzreichen Jugend verlebt! Wie sie kämpfen
mußte, um nicht aufzuschreien, nicht sich zu wehren
gegen die Anordnungen des teuersten Vaters, der
nicht zu ahnen schien, welch peinvolles Leid seine
Anne neben ihm stumm litt!
Rottmann malte sein künftiges Leben aus und
immer hieß es: „Gelt, Anne? Was meinst Du,
werden wir in der Ruhe arbeiten können?“
An dieser Hoffnung raffte sie sich auf. Ste
schaute dem Vater in die Augen und suchte in ihm
Hilfe gegen ihren egoistischen Schmerz, gegen die
Bitternis, die sie gegen die Schwägerin ergriff, die
hier herrschen. die dem alten, lieben Heim ein
anderes Gepräge geben würde. Trotz alles Wollens
freilich, das wüßte sie, würde ihr das Entsagen nicht
leicht gelingen.
Joseph schien allein zu empfinden, was Anne
fühlte, denn er sprach und sah dabei Anne an.
vu Volbehr. Die neue Zeit. 23