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Kummer einem wichtigen Berufe vorstehen? Ein Amt, das seinen Mann nicht
nährt, ist kein Amt; es ist Frondienst. Wenn hie und da begründete Klagen gegen
Lehrer und ihre Leistungen laut geworden sind, wie kann man sich wundern?, Eine
Gemeinde, die ihre Lehrer wie Knechte bezahlt, kann auch nur Mietlinasdienste von
ihnen erwarten. U
Diejenigen, welche den Lehrerberuf wählen, haben nach 648 Jahren der
Vorbildung als Verweser oder Gehilfen mit käglich ca. 24 Kreuzer, dem Lohne
eines Kanalarbeiters, 10— 15 Jahre einer definitiven Anstellung entgegenzuharren,
die ihnen dann die traurige Alternative gewährt: Cölibat oder drückende Nahrungs—
sorgen! Die Bestimmungen über die Heimatsverhältnisse der Lehrer sind nur
geeignet, ihre Lage noch drückender zu gestalten, und kein Gesetz über Pensionierung
schützt fie in Krankheit und Alter gegen Willkür und Zurücksetzung. Haben sie
endlich ein Leben voll Mühen und Entbehrungen durchgekämpft, so stehen trost—
lose Witwen und Waisen an ihrem Sarge, für deren Thränen so oft weder die
Gemeinde noch der Staat Mitleid und Erbarmen hat.
Diese thatsächliche Wahrheit, dieser Notruf eines gedrückten Standes aus
allen Gauen unferes Vaterlandes, hat schon bei der letzten hohen Ständekammer
gerechten Widerhall gefunden: wir hoffen, daß im Jahre 48 in dieser hochwichtigen
Sache ein Schritt weiter geschehe. Allenthalben lassen sich gerechte Klagen nicht
mehr mit Achfelzucken und leeren Versprechungen, nicht mit Predigten von Genüg—
samkeit und Demut abspeisen: Hilfe, thätige und schnelle Hilfe thut überall not,
und wir beanspruchen diese auch fuͤr die Schule und ihre Lehrer.
Man setze uns nicht entgegen, daß es an Mitteln fehle. Hier baut man
Brücken und Straßen, dort Tempel und Paläste, Eisenbahnen, Kanäle und
Festungen. Und was sind diese Werke ohne geistige und sittliche Bildung des
Volks? Was können beispielsweise Festungen leisten ohne treue, warme, mutige
Vaterlandsliebe im Herzen der Unterthanen? Das ist der Wall, der unüber—
windliche, gegen innere und äußere Feinde. Wenn nun die Lehrer sich rühmen
dürfen, einen Teil, wenn auch nur einen kleinen Teil dieser Geistes- und Gemüts—
bildung zu erzielen, so sind sie auch berechtigt, einen Teil, einen kleinen Teil
von den Millionen sich zu erbitten, die Fefstungen und Straßen, Eisenbahnen
und Industrie jährlich verschlingen. Was der Staat für Schulen gibt, das ist
ein Kapital, das reichliche Zinsen trägt. Einem erhabenen Beispiele von dieser
Seite werden die Gemeinden mit Freuden folgen, und eine Verwandlung des
Schulgeldes in eine allgemeine Umlage für diese allen Staatsbürgern gleiche
Segnungen gewährende Anstalt wird ällenthalben als gerecht und zweckfördernd
begrüßt werden.
Wir beschwören die Vertreter unseres Volkes im Namen eines gedrückten
Standes, im Namen der verwaisten Volksschule, im Namen der ganzen Nation,
dulden Sie diese 8 Hemmungen und Mißstände auf dem Gebiete der
Volkserziehung nicht länger! Sprechen Sie es aus, das längst ersehnte Wort:
die Schule sei frei! frei von dußerem und innerem Drucke! und wir
hoffen zu Gott, daß ein volkstümliches Ministerium, daß der deutscheste der
deutschen Fürsten ihr Ja nicht versagen werden.
Wir fassen schließlich die Mittel zusammen, welche die Volksschule und ihre
Lehrer aus ihrem unwürdigen Zustand befreien können. Sie sind:
1. freie Stellung der Volksschulen und ihrer Lehrer;
2. eine dem Lehrerberufe entsprechende wissenschaftliche Bildung;
3. Bateetung des Standes bei der Gemeinde und dem Landtage durch Standes—
glieder;
Revision des Lehrplans und zweckmäßige Auswahl der Lehrmittel mit
Beiziehung der Lehrer;
Gleichstellung der Lehrer mit den Staatsdienern in Beziehung auf ihre
Heimatsverhältnisse, Pensionierung, Witwen- und Waisenangelegenheiten:
Verwandlung des Schulgeldes in eine allgemeine Umlage;