—O II. Die Festtage 4—
„der Universität zu hören bekam. Und ebenso später, als Hans
Sachs in den Kampf um die Sache der Reformation mit
leidenschaftlichem Eifer eingriff, da blickten die Ingolstädter
Gelehrten, wenn sie überhaupt auf den schriftstellernden Schuster
aufmerksam wurden, sicherlich nur mit großem Aerger auf seine
ketzerischen und satirischen Sätze herab. Aber diese Schroffheit
der konfessionellen und der sozialen Gegensätze besteht heute
nicht mehr. Nicht mehr Vorkämpferinnen einer bestimmten
Partei, sondern Streiterinnen für die Wahrheit, wo immer sie
auch zu finden sein mag, wollen heute die Universitäten sein
und darum das geschichtliche Verdienst würdigen, in welcher
religiösen Gemeinde und in welchem Stande auch immer es
auftreten mochte. Und so ist für uns, und für unsere Hoch—
schulen nicht am wenigsten, Hans Sachs heute eine geschichtliche
Persönlichkeit von allerhöchster Bedeutung, der größte deutsche
Volksdichter nicht nur seiner Zeit, sondern aller Zeiten, ja in
seiner Art wohl der größte Volksdichter aller Literaturen. Wie
kein anderer seiner Zeitgenossen verköppert Hans Sachs in
seinem Dichten das gesamte Denken und Empfinden des deutschen
Volks im sechzehnten Jahrhundert, spiegelt er die gesamte innere
und äußere Geschichte seiner Zeit im Geist und Geschmack und
ebenso zu Nutz und Lehr' seines Volkes ab. Nannte er sich
selbst auch einen ungelehrten Mann, so war er doch ein un—
endlich unterrichteter Mann, der in allen Wissenschaften der
verschiedensten Fakultäten sich umgethan hatte: er verecinigte
in sich selbst eine ganze universitas literarum. Und so hat
er auch auf das mannigfaltigste anregend und belehrend auf
Geist und Herz des deutschen Volkes eingewirkt wie kein noch
so gelehrter Forscher jemals in alter und neuer Zeit. Und
zumal dem Mittelstande, dem deutschen Bürgertum, kam dieser
Unterricht zu gute, dem Bürgertum, aus dem hernach fast aus—
nahmslos die Denker und die Forscher unserer Hochschulen her—
vorgingen. Gerade ihm, dem volkstümlichen Dichter, der Wahr—
heit und Tugend in herzlicher Weise überall verkündete, der“