Objekt: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

doch mar in einer Cpicerie BorrathH genug, um die zum Kochen nöthigen In- 
grebienzien zu erlangen, 
Da für den folgenden Tag noch Fein Marfhbefehl eingetroffen war, 10 
fonnte man heute jdon einen längeren Trunk risfiren und am AWbend vereinigte 
uns das Sajthans zur goldenen Sonne, allmo wir zahlreidhe Sefellidhaft an: 
irafen, da uns jeit dem Ausmarfch hier zum erften Male wieder Gelegenheit 
geboten war, einen Abend im Kreile fämmtlidher Kameraden des Bataillon8 zu 
verlieben. 
In den Häufern mar e&8 Heute aud) etwas lebendiger, als gewöhnlidh. Der 
NegimentSfommandant Hatte {hon während einer Marfjchraft Yuarre formiren 
(afien und gedachte mit Kurzer Herzliher Nede des Geburtstags unferes Königs ; 
begeijtert ftimmten alle in das au weiter Ferne in die Heimath gefandte Hoch 
ein, und abendlich erfholl in mandjer Kriegerrunde : 
Heil unferın König! Heil! 
26. Auguft. 
Unge’ähr 4 bis 6 Stunden nad) dem MorgenrothH fuhr id empor aus 
goldenen Träumen und Hatte das phyfilhe Bewußtiein, wieder einmal ausge: 
"Olafenm zu haben. 
Zunächft nad dem Kaffeetrinfen wollle ih einige Briefe [Areiben, doch 
ehlte mir momentan Papier dazı. NothH macht erfinderifch, und da der Kunft- 
fennerifjdhe Hausherr feine Stube mit Abbildungen aus der franzöfijdhen Ge: 
ichichte und Regentenfamilic geziert Hatte, diejelben im Zuatier deutfcher Sol: 
daten nidht nur allein anftößig, fondern die RNückjeiten diejer Bilder au weiß 
maren, fo Fonfiszirte id diejelben und fhrieb auf die leeren Rückjeiten von Lulu 
und Eugenie die nöthigiten Briefe. Später kam au Napoleon mit feinem 
Stabe daran, die Erjtürmung des Malakoff u. f. m., kurz und gut, die Kunft: 
verfe, die bei un8 mindejtins a 1/, Silbergrofhen Foften mürden, verdufteten, 
ohne den äjfthetijdhen Gefühlen der jeweiligen Bewohner Abbruch zu thun. Defto 
mehr empörte e8 den patriotifhen Hausherrrn, und in aller Eile trommelte er 
zinige Nachbarn zufammen, um, wie e$ fchien, diefe Barbarei zu rächen. Die 
tapjeren Männer maren fo tapfer, jo lange mit ihrem Angriff zu warten, bis 
id nur allein in der Stube war, dann aber traten fie, fih KcohtliH Muth 
einbildend, in diefelbe und einer der größten diefer Größen trat vor mid hin, 
ihlug fi auf die Bruft und erflärte: »J’etais chasseur!« »QOui, oui, il 
stait chasseur«, brüllte der Chorus und fchloß den Kreis enger um mid. 
»Cela m’est tout egal! Qu’est-ce que vous voulez ?« dabei langte ich wirder 
nad) meinem Tröfter, meinen Revolver, {tellte den Hahn in die Spannraft und 
martete nur auf die Offenfiv- ©perationen. Der Hausherr war der Hinterite 
im Haufen, erfeßte jedoch die fhlehte Wahl feiner Stellung durch lautes heben: 
des efröhle. Der fjtolze Herr Chafleur, Stimm: und Wortführer, Ichien 
jeinem Sprecdheramt nicht mehr vorftehen zu wollen, da das fehSsläufige Ding 
in meinen Händen fein Talent zu Boden gedrückt Hatte. 
Unterdeffen Hatten fih 2 der Bedienten und einige Soldaten eingefunden, 
melde, die Lage jofort begreifend, mit blankfem Säbel fih der Phalany der 
Eindringlinge gegenüberftellten, die in Folge defjen ihre Rücmärtsbewegung 
zinfeiteten. Je näher fie dem Ausgange kamen, defto mehr vergrößerte ich die 
Zdhneligkeit ihres Rückzug und zulebßt wurde ihnen derjelbe dadurch mwefent: 
ich erleichtert, daß die Soldaten die Herren Fanktiveurs, darunter auch den 
fühnen Yägeraämann, am Kragen packten und fie gratis und franko auf die
	        
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