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die gegen ihn 149 Unterschriften. So zeigte es sich, dass
die beiden Lager nahezu gleich stark seien. Hätte die
Verwaltung in ihrer Entscheidung noch geschwankt, !)
angesichts der beiden Petitionen, die sich fast die Wage
hielten, musste jedes Schwanken aufhören. Kein Zweifel
mehr, die Berufung Steins liess eine Spaltung in der
Gemeinde voraussehen,
Inzwischen hatten zwei Kandidaten Probepredigten
abgehalten und grossen Beifall gefunden: Dr. Buchholz,
Rabbiner in Pom.-Stargard und Dr. Levin, Rabbiner
in Zürich. Von denselben heisst es in der zweiten Petition,
dass sie, »nach allgemeiner Ansicht — auch der Gegner —
Herrn Dr. Stein als Redner würdig an die Seite gestellt
werden können und ausserdem noch die Vorzüge des
krättigen Mannesalters und der grösseren Würdigung unserer
religiösen Anschauungen voraushaben«. Noch bevor diese
Petition an die Administration gelangte, waren die beiden
Kandidaten auch von der Verwaltung für die engere Wahl
in Aussicht genommen worden ?). Der Vorsitzende holte
nun über dieselben nähere Erkundigungen bei rabbinischen
Autoritäten ein, .darunter auch beim Direktor des jüdisch-
theologischen Seminars in Breslau, Dr. Z. Frankel, über
dessen Schüler Buchholz.‘ Aus dem Antwortschreiben
Frankels möge hier eine Stelle Platz finden, die von
da ist ein Stachel, der ihn zurücktreibt.« Anderer Ansicht jedoch
war Steins Freund und Amtsnachfolger Abraham Geiger, der in
Jer Instruktion durchaus nichts fand, »was die Würde des Amtes,
lie Ehre und die moralische Wirksamkeit des mit dem Amte Beauf
tragten beeinträchtigen könnte,« sie sei »durchaus harmlos.« 5.
Geigers Briefwechsel mit Stein in Abraham Geigers Nach.
gelassene Schriften V, S. 261 ff. ;
1) In der Sitzung vom 8. Februar 1872 wurde allerdings be
schlossen, unter Andern auch in Betreff Dr. Steins »persönliche
Recherchen zu pflegen«.
2%) Prot. vom ıo. April 1872.