890 Sechster Teil. Ergebnisse und Entwicklung von 1377 bis 1794.
das Produkt eines langjährigen wirtschaftlichen Niedergangs ist, läfst sich
am deutlichsten an der Entwicklung der Bevölkerungsziffer und der Zoll-
einnahmen nachweisen. Was die erstere anbetrifft, so wurden zu Beginn
des Dreifsigjährigen Krieges in Nürnberg rund vierzigtausend ortsanwesende
Personen gezählt, während zu Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts die
Einwohnerzahl kaum noch fünfundzwanzigtausend betrug. Die Zoll-
einnahmeziffern müssen zwar im Hinblick auf die wechselnde Verwaltungs-
praxis in Einzelheiten mit grofser Vorsicht benutzt werden, die entschei-
denden Momente der Nürnberger Handels- und Gewerbegeschichte ergeben
sich aber aus ihnen mit hinreichender Klarheit, wenn wir sehen, dafs die
ungefähre Kaufkraft des gesamten Zollertrages in Konventionsgulden vom
Jahre 1761 ausgedrückt
1440: 6000 fi 1648: 10000 fi
1552: 35000 fl 1680: 20000 fi
1618: 60000 fl 1710: 12000 fl
und seit dem Siebenjährigen Kriege etwa 6500 fl betrug. Mit andern Worten:
das Nürnberger Erwerbsleben ist bis zum Ausbruch des Dreifsigjährigen
Krieges in schnellem Aufblühen begriffen, wird durch diesen Krieg um etwa
zweihundert Jahre zurückgeworfen, nimmt dann aber noch einmal einen viel-
versprechenden Anlauf, um das Verlorene wieder einzubringen. Da unter-
bricht der dritte französische Raubkrieg die Entwicklung von neuem und
dem Badener Frieden folgt statt der nach früheren Kriegen zu beobachtenden
Erholung ein langsamer, durch nichts mehr aufzuhaltender Verfall.
Der Grund, weshalb gerade die Kriege um die Wende des siebzehnten
und achtzehnten Jahrhunderts für Nürnberg so verhängnisvoll geworden
sind, dürfte darin zu suchen sein, dafs sie — und das gilt zumal von
dem Spanischen Erbfolgekrieg — nicht nur mit Schlachten, sondern auch
mit Handelssperren geführt wurden, und zwar mit Handelssperren, die
infolge der grofsen Fortschritte der staatlichen Organisation ganz anders,
als dies früher der Fall gewesen, gehandhabt werden konnten. Und was
das schlimmste war: dieser wirtschaftliche Kampf nahm auch dann noch
seinen Fortgang, als die Kanonen verstummten. Ja er griff sogar, je
länger der Friede dauerte, immer weiter um sich; denn wenn auch die
während des Krieges erlassenen Handelsverbote nach dem Friedensschlufs
zum Teil wieder aufgehoben wurden, so begannen doch nunmehr die
mächtig emporstrebenden modernen Staatskörper sich durch wirtschaftliche
Mafsnahmen planmäfsig von einander zu emanzipieren. Bis dahin hatten
die Städte sozusagen eine internationale Handelsgemeinschaft gebildet.
Eine jede lebte in erster Linie von dem sie umgebenden Landbezirk, dessen
Marktplatz und Industriewerkstätte sie war. Wo der Örtliche Verkehr