Hans Sachs und Boccaccl1o.
Jon
Karl Drescher.
[* den folgenden Ausführungen soll der Einflufs Boccaccios auf Hans
Sachs zum ersten. Male zusammenfassend dargestellt werden. Die
Frage nach den Quellen im allgemeinen ist in der Hans Sachsforschung
in den meisten Fällen schon glücklich beantwortet, daher fördert es
weniger, immer im einzelnen eine Benutzung dieses oder jenes,
als Quelle womöglich schon bekannten Werkes nachzuweisen, als viel-
mehr den Gesamteinflufs eines mafsgebenden Geistes auf unsern Dichter
deutlich aufzuzeigen, und gerade Boccaccio hat einen hervorragenden
Einflufs auf Hans Sachs geübt. Boccaccio steht überall am Eingang
der Hans Sachsischen Dichtung, und sein ganzes Leben hindurch
kehrt Hans Sachs immer wieder bei seiner Stoffsuche zu Boccaccio
zurück. Der erste Meistergesang in des Dichters erster Meisterlieder-
handschrift 1517 „Von dreyerley liebe“ zeigt Entlehnungen aus Boc-
caccios „de claris mulieribus“, und das gleiche Werk dürfen wir
mit Bestimmtheit für das erste Meisterlied des ersten (verlornen)
Gedichtbandes (MSG. ı), „Die sieben getrewen frawen‘“, in An-
spruch nehmen. Das Decameron half ihm für den Meistergesang
das Gebiet der weltlichen Stoffe zu erobern, in der genannten
Handschrift von 1ı517 finden sich schon Bl. ız2ff. drei umfang-
reiche Meisterlieder von je ı3z Strophen nach jenem Werke (Guis-
yardo und Gismonda 1516 Dec. IV, ı; Rugiro und Constancia 1516;
Gabrioto und Andreola 1516 Dec. IV, 6); das erste Spruchgedicht
vom 7. April 1515 = Keller-Goetze II, 216 erzählt von Lorenzo und
Lisabeta, und in den Fastnachtspielen knüpft sich der erste bedeu-
‚ende technische Fortschritt, die Benutzung des Ortswechsels, eben-
falls an eine Geschichte des Decameron (Der schwanger pawer, No. 16
bei Goetze, Ausgabe der Fastnachtspiele = Dec. IX, 3). Was von ge-