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vom Geschick, das Höchste. Und er fühlte, wie er
selbst wuchs in der Liebe Annes.
So erwärmte sich auch sein Herz mehr und
mehr für Anne. Es war nicht mehr allein ihre
äußere Erscheinung und die Lebhaftigkeit ihres
Geistes, die ihm anziehend waren, zum erstenmal
in seinem Leben fühlte er ein Gefühl weicherer Art
in seinem Herzen.
In seinem Streben und Arbeiten hatte er bis—
her keine Zeit und keinen Sinn für das Weib ge—
habt. Die gefälligen Dirnen hatten ihn abgestoßen,
und über die schüchternen Töchter der Honoratioren
Augsburgs hatte er weggeschaut wie über bescheidene
Blumen am Weg. Erst in Nürnberg hatte er in
Anne ein Mädchen kennen gelernt, mit dem es sich
klug reden ließ und der trotzdem die jungfräulichen
Reize nicht fehlten.
Und heute auf der Burg war ihm noch ein
zweites Mädchen von eigenartiger Wirkung be—
gegnet, ein Mädchen, das in aller jungen Leute
Mund war, das aber doch herb und unnahbar
schien wie eine Patrizierstochter.
Eine wunderbare Stadt war es doch, dies
Nürnberg.
Haßner fuhr sich über die Stirn. Da stand
wieder das schöne junge Weib vor seinen Augen —
er wollte doch nicht an sie denken.
Er schaute auf. Über den Vater beugte sich
eben Anne und strich ihm über die Stirn und
küßte seine Hand.
Da wurde es Hellmut Haßner warm und wohl
ums Herz. Er sprang auf, schwang sein Glas und
trank auf des Hauses Glück.