fullscreen: 1834-1884 (2. Band)

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Hypothesen. 
Klosters auferzogen worden sein, vor dem Sonnenlicht und dem An— 
gesicht der Menschen ängstlich verborgen gehalten, wie ein großes 
Argernis und die Sünde selbst?“ Meyer schreibt: „Allem Vermuten 
nach wurde Kaspar Hauser in einem Pfarrhof Altbayerns von seinem 
natürlichen Vater im Verborgenen, aber nicht gerade in einem Ge— 
fängnis aufgezogen; mit der Zeit aber wurde der Bursche zu groß, 
als daß man ihn länger vor der Welt hätte verborgen halten können. 
Deshalb schaffte ihn sein Vater nach Nürnberg, in der Hoffnung, 
daß er dort beim Militär unterkomme.“ Diese Ansicht scheint mir 
aber auf einer protestantischen Verkennung des weiten Herzens der 
heiligen Mutter Ecclesia und der vorzüglichen Abrichtung ihrer Kinder 
zu beruhen. Und wenn man bei Kaspar Hauser als Wahrheitskern 
des Einsperrungsmärchens eine in Zurückgezogenheit ver— 
lebte Jugend annehmen will, so scheint mir eine andere Frage 
Mittelstädts — „Warum soll Hauser nicht das eigene oder das 
Pflegekind irgend eines einsam in den Bergen oder im Walde 
lebenden Taglöhners gewesen sein, der den Tag über seiner Arbeit 
nachging, das Kind in seiner Hütte eingeschlossen sich selbst überließ, 
und sich feiner entledigte, sobald der Knabe halberwachsen und die 
Gelegenheit günstig war?“ — den Umständen besser zu entsprechen. 
Auf meinen Gebirgswanderungen sah ich schon manches einsame Ge— 
höft, das sich zu einer ganz normalen Hausergeschichte eignen würde. 
Zu der Pfaffentheorie würde übrigens die von Feuerbach schon 
1828 und von Stanhope noch 1833 vertretene Einschüchterungs— 
theorie, die Kaspars Verlogenheit eingesteht, wohl am besten 
passen. Diese Annahme setzt aber erstens ein durch gar nichts er— 
wiesenes Verbrechen voraus, und zweitens kann ich bei einem Bur— 
schen wie Kaspar Hauser an eine fünfjährige Nachwirkung von 
Drohungen gar nicht glauben. 
2) Kaspar Hauser war durchgebrannt. Merker meinte schon 
1830, daß „er einer Kunstreitergefellschaft entlaufen sein könnte,“ 
und v. Lang im Januar 1834: „Meines Dafürhaltens möchte er 
der Knabe irgend eines Bettlerhaufens in Niederbayern gewesen sein, 
den seine Eltern mit auf die Wallfahrten nach Alten-Ottingen u. s. w. 
herumgeschleppt, wo er sich bald als Krüppel bald als lächerlicher
	        
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