VIl. Die Sage von der Königin Theodolinde.
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Während für alle übrigen in den Kreis unsrer Unter-
suchung gehörigen Gedichte die directen Quellen oder Vorlagen
nachzuweisen waren, sind wir bei dem Meisterliede *) und wie. bei
dem Spruchgedicht*), welche die Sage von der Königin Theodo-
linde behandeln, nicht in der gleichen glücklichen Lage. Ja
nicht einmal der Name Theodolindens wird in der deutschen
Sagenüberlieferung genannt, und die folgende Untersuchung soll
der Langobardenfürstin überhaupt erst das Bürgerrecht in
deren Kreise erwerben. Der literarischen. Zeugnisse, welche
als Grundlage der Forschung dienen können, sind sehr wenige.
Den gleichen Stoff, wie bei Hans Sachs, doch ohne jede Be-
nennung der beteiligten Personen, behandelt das Gedicht „Das
Meerwunder“ im sog. Heldenbuch des Caspar von der Roen
(gedr. bei v. d. Hagen u. Primisser, Heldenbuch 2, Teil.
Berlin 1825 s. 222), einem Werk, welches achtzig Jahre
vor dem Meisterliede des Hans Sachs in Unterfranken nieder-
geschrieben wurde. In der Kunstpoesie finden wir, ausser
bei unserm Dichter, Theodolinde als Mittelpunkt einer
schlüpfrigen Geschichte im Decamerone des Boccaccio II, 2.
Letzterem folgend haben den gleichen Stoff noch behandelt
Francesco Bracciolini (La Bulgheria convertita, Roma 1637
canto VII) in Ottaverimen ®), und Lafontaine nach seinem
*) Die künigin mit dem merwunder. In der gesangweis Römers.
15. September 1552. (Goedeke-Tittmann, Deutsche Dichter des XVI.
Jahrh. 4, 299 ff.)
?*) Historia: Königin Deudalinda mit dem meerwunder. Kempt.
Ausgabe IV. bl. 130—32; Keller-Goetze 16. 228 ff. — Deutsche
Sagen der Brüder Grimm? 2, 45.
°) Vgl. Licurgo Cappelletti, Studi sul Decamerone, Parma 1880 s.
353. — C. erwähnt daselbst auch noch eine Versification der Novelle
durch Batacchi.