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Bei den epileptischen und wohl auch bei manchen hysterischen Anfällen
‚Dämmerzuständen) ist während der Dauer des Anfalles mangelhafte Orien-
ärung in Bezug auf Zeit, Ort und Personen vorhanden und erscheinen hier
die Bewusstseinsvorgänge nur lose mit dem Selbstbewusstsein verknüpft oder
selbst abgeschnitten. Je nach dem Grade der Verbindung der Vorstellungen
Anter einander kommen alle möglichen Stufen der Erinnerung vor. Hysterische
erleben in ihren hysterischen Anfällen oft ganz verwickelte sexuelle Abenteuer,
die sich mit ungeheurer Plastik vor den Augen des Beobachters abspielen.
Kein Wunder, wenn nachher in der unklaren Erinnerung diese Ereignisse
zine bedeutende Rolle spielen. Die Autosuggestibilität steigert die unklaren
Vorstellungen bis zur greifbaren Deutlichkeit und die Anschuldigung wird im
besten Glauben erhoben. Eine besondere Gefahr besteht hier für Aerzte, die
mit Vorliebe unerlaubter sexueller Eingriffe bezichtigt werden (Hoche). Eine
unmittelbar nach einem hysterischen Anfalle verschwommene oder lückenhafte
£rinnerung, kann verblassen und verschwimmen wie Traumerinnerungen,
später aber ebenso wie diese vielleicht durch zufällige Eindrücke später theil-
weise geweckt werden.
Auch ausserhalb der Anfälle können durch Hallucinationen und Illusionen,
welche bei Hysterischen wegen ihrer lebhaften Phantasiethätigkeit und Zer-
streutheit häufig vorkommen, gleichzeitig mit richtigen gefälschte Wahrnehm-
nungen in das Bewusstsein eintreten und zu Erinnerungsfälschungen führen,
Kin Produkt der Phantasiethätigkeit kann allmählich zum Wahn werden und
auch ein solcher mit einer hysterischen Lüge verwechselt werden. Je nach-
dem die Erinnerung sich auf die Zeit vor der Wahnbildung oder auf diese
bezieht, werden widersprechende Erinnerungen entstehen.
Aus dem Voraufgeführten geht hervor, dass es eigentlich nicht richtig
st, von einer hysterischen Lüge zu sprechen, da wir unter Lüge nur die
bewusste Unwahrheit verstehen. Ebenso falsch wäre es, das Symptom als
Irrthum, Wahnidee oder Erinnerungsfälschung zu bezeichnen, da diese Worte
aur einen Teil des Begriffes, aber nicht den ganzen ausdrücken. Das Wesent-
ıiche der Erscheinung ist die innige Mischung von bewusster Lüge und krank-
naft gefälschtem Vorstellungsinhalt, immer unter Mitwirkung lebhafter Phantasie-
‘hätigkeit, Es handelt sich also um ein Gemisch von Phantasie, Erinnerungs-
älschung, Irrung, Prahlerei, Lüge und Wahn. Delbrück hat für die Erschei-
lung eine neue Bezeichnung, nämlich »Pseudologia phantastica« vorgeschlagen
ınd hat dieselbe auch, weil sie sehr zutreffend ist allgemein Eingang gefunden.
Das Unterscheidungsvermögen für Wahrheit und Lüge, für Wirklichkeit
und Schwindel ist derartigen Personen häufig vollständig abhanden gekommen.
‘hre Antworten: »ich weiss es nicht«, »auf Genaues kann ich mich nicht
Desinnen«, entsprechen häufig dem thatsächlichen Sachverhalt, da die Kranken
häufig selbst keine klare und bestimmte Auskunft geben können. Man merkt
auch aus ihren Antworten förmlich heraus, dass sie ihrer Sache nicht
sicher sind und ihre Erinnerung sehr unklar ist. Schwer ist zu sagen, wo
die bewusste Lüge aufhört und die Pseudologia phantastieca anfänet. Te
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