Metadaten: Verhandlungen der ... Wanderversammlung Bayerischer Landwirte zu Nürnberg vom 12. bis 15. Mai 1895 (32. (1895))

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auch wenn die Absicht widerrechtlicher Aneignung von Land seitens 
der Grenznachbarn nicht vorliegt. Wird die Pflugfurche nur um 
einige Centimeter unrichtig gezogen, so können bei jahrelanger 
Wiederholung schließlich erhebliche Grenzverschiebungen entstehen. 
Noch erheblicher werden die letzteren, wenn die Pflugfurchen in 
der Absicht der Landaneignung gezogen werden. So ist es bei 
gewannenförmiger Lage der Ackerstücke, wie sie in dem meist sehr 
zerstückelten Grundbesitz im Westen des Staates vorzuherrschen 
pflegt, eine häufige Erscheinung, daß die Ackerstücke von Minder— 
jährigen oder von anderen Personen, welche ihre Rechte nicht 
persönlich wahrnehmen können, von Jahr zu Jahr schmäler zu 
werden pflegen und nicht selten ganz verschwinden. In der 
Katasterverwaltung ist die Erfahrung gemacht, daß Vermessungen, 
welche vor 50 Jahren in einer jeden Zweifel an sorgfältiger 
Ausführung ausschließenden Art und Weise vollzogen sind, heute 
durch eine Neumessung ersetzt werden müssen, weil in den Acker 
stücken ein durchgreifender Mangel an Übereinstimmung zwischen 
Feld und Karte besteht, welcher nur durch allmähliche 
Grenzverschiebung hervorgerufen sein kann.“ 
Diese Ausführungen haben für die bayerische Rheinpfalz 
und die fränkischen Gebietsteile, wo die Grenzfurche vorwiegend 
üblich ist, völlig gleichmäßige Geltung. Aber auch in den östlichen und 
südlichen Teilen Bayerns läßt sich alljährlich bei der Feldbestellung 
leicht beobachten, daß der Grenzrain dem unachtsamen wie dem 
habgierigen Pfluge keine größeren Hindernisse entgegenstellt, als die 
Grenzfurche, daß die Grenzhecken durch das Beschneiden und Aus— 
wuchern, die Grenzgräben durch Verwachsen und Wiederaufräumen 
verhältnismäßig recht bedeutenden Verschiebungen ausgesetzt sind. 
Solche Zustände müssen aber nicht nur direkt zu Streit und 
Unfrieden zwischen den Grenznachbarn führen. Sie sind auch 
indirekt um so mehr geeignet, den Sinn für Ordnung und Recht 
unter der Landbevölkerung zu erschüttern und zu untergraben, 
als die bayer. Zivilgesetzgebung dem technischen Nachweise des 
Grenzverlaufes nur untergeordnete Bedeutung beilegt, dagegen 
die Verjährung des Besitzstandes zuläßt, sodaß die Möglichkeit 
nichts weniger als ausgeschlossen ist, daß die mit der gehörigen 
Vorsicht ausgeübte habgierige Aneignung von Grund und Boden 
schließlich in einem Grenzprozesse den Sieg davonträgt.
	        
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