244
Kaspars Abrichtung.
Die „zweite Lektion“ hat uns etwas länger aufgehalten, denn
wir waren nun einmal bei der Sprache, die wir allerdings — in
ganz normalen Verhältnissen — nicht an einem Tage gelernt haben.
Und da werden wir diesmal Eschricht, von seiner Idiotentheorie ab—
gefehen, beipflichten müssen, wenn er aus Anlaß der Lebens-
beschreibung sagt: „Er (Kaspar) war nun zu einem erbärmlichen
Lügner geworden ... Als K. H. diesem Herrn Professor (Daumer)
anvertraut wurde, war er noch ein armes, sehr beschränktes, aber
unschuldiges Kind. Unter seiner Leitung wurde er nach und nach
ein eitler Narr, ein Gaukler, ein Lügner, — da er Daumers Haus
verließ, war er ein so vollendeter Betrüger, wie es eine idiotisch⸗
einfältige Person überhaupt zu werden vermag.“ Hier eine laut—
schreiende Probe:
„Kaspar Hauser erzählt in derselben Schrift (Lebensbeschreibung),
daß der Mann, bey dem er immer gewesen, ihm während der Ein—
kerkerung mehreres sagte, doch er erzählte mir bei jeder Ge—
legenheit, daß dieser Mann gar nichts zu ihm sprach, bis
er auf der Reise war.“ Stanhope an Merker, den 14. August 1834.
Das ist Kaspar selbst. Herr von Tucher aber behauptet (bei
Daumer S. 119): „Seine Sprache war die eines Kindes im 2.
oder 3. Lebensjahre ... selbst das „Du““ verstand er nicht,
sondern meinte „„Du““ wäre der Mann, bei dem er gewesen war“!
So wird uns allerdings der Du (S. 233 und 246) begreiflich—
wie aber dieser Du (weiter unten S. 252 ff.) unterwegs unzählige⸗
mal du mußt — du bekommst — du hörst gleich auf —
du kannst — du hast — du bist — du weinst — dein
Vater giebt dir schöne Roß — ich hole dich wieder —
hat sagen können, mag Kaspar besser verstanden haben als wir
ihn noch obendrein sogleich in einer höheren Klasse den Anfang machen. „Aus
dieser Lage, bemerkt Feuerbach, ist er jedoch durch die Großmuth des edlen Grafen
Stanhope endlich erhböst worden.“