Objekt: 1834-1884 (2. Band)

Tas Leben im Leichentuch. 
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lich das Recht, selbst seinen wie zum Spiel entworfenen Kombi— 
nationen oft mehr Wahrheit einzuräumen und daraus abzuleiten, als 
dem nackten und ungewissen Faktum, oder dem bloßen nüchternen 
Verstande, der ängstlich über Konsequenzen brütet, zugetraut werden 
darf. Und in solchem Sinne geistigen Schauens () ist diese Wahr— 
heit zu nehmen, die in dem Büchlein, die in jeder Hinsicht die 
achtungswürdigste Hand dabei beteiligt zeigt, enthalten sein dürfte. 
Wie jede Wundererscheinung (), die hergebrachtem Lebensverlauf 
fremdartig entgegentritt, an dem sogenannten gesunden Menschenver— 
stande (man fühlt sich schon hegelisch angesäuselt!) einen natürlichen 
Feind besitzt, der sie jedesmal auf ein phantomenhaftes Nichts zurück— 
zuführen trachtet, wie aber dennoch der Verstand, nachdem er das 
Märchen vernichtet hat, um daraus die ihm gemäße Wirklichkeit her— 
zustellen, nichtsdestoweniger sich stets dabei in Verlegenheit gesetzt 
sehen wird, da sich ihm selbst aus dem zertrümmerten Wunder immer 
wieder neue unter den Händen ansetzen, deren Bezwingen er am Ende 
ohnmächtig aufgeben muß; so ist es auch ganz in ähnlicher Weise mit 
Kaspar Hausers Geschichte und den wiederholt angestellten Versuchen 
zu einer mit der gewöhnlichen Wirklichkeit harmonierenden Lösung 
derselben ergangen. Herr Polizeirat Merker hatte — durch Konse— 
quenzen eines polizeigerechten (s) Verstandes — die Widersprüche, die 
in des Findlings Aussagen erscheinen, einleuchtend zu machen gesucht, 
jedoch damals, wenigstens in der öffentlichen Meinung, nur geringen 
oder keinen Anklang gefunden, da man vielmehr bald darauf durch 
die vortreffliche Schrift Feuerbachs“ u. s. w. „In diesen Briefen (also) 
ist die psychologische (es handelt sich aber vor allem um die physische!) 
Möglichkeit des Ereignisses dargethan, und dadurch alles, was das 
Schicksal Kaspar Hausers betrifft, in das helle Gebiet der Wahrscheinlich— 
keit und Wirklichkeit gerückt. Der Verfasser — denn man gerät sogleich 
auf die Annahme eines sfolchen, da manche eingestreute Erörterungen 
und Gedanken sogar an die neueste und uns hier in Berlin zunächst 
liegende Philosophie (richtig! an Hegel und an die „dialektische Ver— 
kehrung des Satzes in sein Gegenteil“) erinnern — hat die vor— 
handenen Data, wie sie vornehmlich durch Feuerbach festgestellt oder 
angedeutet sind, mit einer feinen und sinnreichen Kunst zu kompo—
	        
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