Objekt: Geschichte der Stadt Nürnberg von dem ersten urkundlichen Nachweis ihres Bestehens bis auf die neueste Zeit

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treten darin auf, nicht selten Allegorieen von Tugenden oder Lastern, 
öfters aber noch menschliche Personen, Vertreter ihrer Gattung, ohne 
individuelles Leben oder gar selbständig ausgeprägten Charakter, aber 
in ihrer typischen Eigenart vortrefflich erfaßt und mit Humor und 
Laune geschildert. Alle guten und schlechten Eigenschaften der Meu— 
schen, wie sie im täglichen, besonders im Haus- und Familienleben zu 
Tage treten, werden uns vorgeführt, kein Stand, kein Beruf wird 
vergessen. Und allen wird die Moral gepredigt, dem wucherischen 
Kaufmann und dem betrügerischen Arzt, dem schlechten Mann und der 
bösen Frau. Zu loben hat der Dichter nur selten, aber sein Tadel 
über die Thorheiten und Laster der Menschen ist milde und meist in 
schelmische Worte gekleidet. Dennoch ist es ihm mit der moralischen 
Nutzanwendung, die er selbst bei der Erzählung der ausgelassensten 
Schalksstreiche zu ziehen weiß, aufrichtiger Ernst. Der Hang zum 
Lehrhaften lag nun einmal im Charakter der Zeit, ihm konnte sich 
am wenigsten der beschauliche Handwerksmann entziehen, der von 
seinem Schusterschemel aus mit hellen Augen in die Welt blickte und 
für ihre Reize und Freuden nicht blind, doch zahlreiche Mängel und 
Gebrechen in ihr wahrnahm. Eine im innersten Kern gerade und 
sittliche Natur wollte Hans Sachs seine Mitmenschen durch seine 
Dichtungen nicht nur erfreuen, er wollte sie auch „bessern und bekehren,“ 
sie mit Abscheu erfüllen vor dem Neid, der Hoffart und allen Lastern, 
deren Häßlichkeit gegenüber er die Lieblichkeit eines ehrbaren, sittlichen 
und gottesfürchtigen Lebenswandels nicht genug hervorzuheben weiß. 
Denn eine tiefernste religiöse Gesinnung beseelte ihn schon in jungen 
Jahren, und trieb ihn frühzeitig von der ganz in Äußerlichkeiten 
aufgehenden alten Kirche der neuen lutherischen Lehre in die Arme. 
Bald war er einer der eifrigsten Anhänger des großen Reformators, 
dessen Schriften er in reicher Zahl für sich selbst erwarb und den er 
durch die im Jahre 1523 im Druck erschienene allegorische Dichtung, 
die „Wittenbergisch Nachtigall, die man hetz höret überall“ aller Welt 
laut als den Retter aus der Wüste des Papsttums verkündigte. Da— 
mals schrieb er auch eine Reihe Prosa-Dialoge, in denen er übrigens 
auch den Ausschreitungen der Anhänger Luthers scharf zu Leibe ging. 
Durch seine kühnen Ausfälle auf das Papsttum geriet er wie wir 
unten des näheren erzählen wollen, sogar mit dem doch selber stark 
lutherisch gesinnten Rat in Konflikt, der ihm 1527 ein Verbot, in Zu— 
kunft keine dergleichen Büchlein oder Reime ausgehen zu lassen, eintrug. 
Hans Sachs war aber auch ein warmer Patriot, er liebte seine Vater— 
stadt über alles, und verkündigte in seinem Lobspruch der Stadt Nürn— 
berg ihren Ruhm mit lebendigen aufrichtig gemeinten Worten. Die
	        
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