Inhaltsverzeichnis: Beiträge zu Dürers Weltanschauung

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Mit gefalteten Händen schaut er auf zu dem Engel, welcher ihn 
auf die Inschrift des Bildstockes verweist: „Lieb got (von 
gantzem) gemüth und deinen nächsten als dich, wilt du leben 
ewiglich.‘““ Von hinten hat sich der Teufel an den Pilger heran- 
geschlichen (wie in dem Gedichte Friedrichs von Hennenberg an 
den Ritter), er zerrt ihn am Mantel und zeigt ihm, um ihn ver- 
zagt zu machen, höhnisch die Sünden seines vergangenen Lebens, 
dargestellt durch Habsucht, Trunksucht, Spielwut, Eitelkeit, Streit- 
sucht, Wollust. Dieser Gedanke kehrt in dem Heidelberger Büch- 
lein, bei Geiler und bei Erasmus wie auch sonst in der mystischen 
Volkslitteratur mehrfach wieder, dass der Teufel dem Menschen 
den Mut zum Weiterschreiten auf dem rechten Wege benehmen 
will durch Hinweis auf seine Sündenlast. So ist auch das Ein- 
blasen des Teufels zu verstehen auf dem oben abgebildeten Holz- 
schnitte von Urs Graf. Aber der Pilger kümmert sich nicht um 
ihn, ebensowenig um den Tod, der ihn mit gespanntem Bogen 
am anderen Ende der Brücke erwartet. Da dieser für das Empor- 
halten der Sanduhr — wie bei Dürer — keine Hand mehr frei 
hat, so hat der Künstler eine grosse Schlaguhr oberhalb des 
Knochenmannes aufgehangen. 
Wie eng in der ganzen mystischen Volkslitteratur: diese Vor- 
stellungskreise untereinander und mit der bildenden Kunst zu- 
sammenhängen und ineinander übergehen, zeigt uns ein Blick 
auf die übrigen Zuthaten des vorliegenden Pilgerbildes. In jenem 
Heidelberger Schriftchen vom christlichen Ritter, in welchem wir 
einen directen Vorläufer von Dürers Gewappnetem kennen lern- 
ten, heisst es, wie wir uns erinnern!: Der Ritter solle bedenken, 
was hinter ihm liege, nämlich die Sünden seines bisherigen 
Lebens, und was vor ihm liege, nämlich 1. sein natürlicher Tod, 
2. das jüngste Gericht, 3. die Höllenpein, 4. die Himmelsfreuden. 
Die Sünden des bisherigen Lebens erkannten wir bereits in der Scene 
des äussern Kreises hinter dem Teufel, das jüngste Gericht ist hinter 
der Gestalt des Todes dargestellt, die Qualen der Hölle (nebst Fege- 
feuer) sehen wir in dem 3. Bilde unten, die Himmelsfreuden in der 
4. Scene oben ganz ausführlich und eindringlich vor Augen gestellt. 
! Uebrigens unter Berufung auf S. Bernhard, auf den diese Zu- 
sammenstellung bereits zurückgeht.
	        
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