'’Elftes Blatt.
Ansicht der Burg vom Dr. Campeschen Garten aus.
Kein Fremder wird versäumen, die von dem sogenannten Pilatus-Hause aus nach Schritten gezählten
and in Stein durch Adam Kraffts Meisterhand gearbeiteten Wandsäalen oder Stationen *) zu besehen.
Sie stehen am Wege durch die Seilers-Gasse bis zum Friedhof St, Johannis, wo am Calvarien-
Berge die Darstellung der Kreuzigung die Reihe schliefst. Wendet man von dieser letzten Stelle den
Blick der Stadt zu, so hat man eine der schönsten Ansichten vor sich, An einen flachen Vordergrund,
den das Grün der fruchtbaren Felder (die Johannis-Felder) ziert, schließt sich eine Reihe freund-
Jicher Häuser, Gartengebäude, die unter dem Namen der Gärten zu St. Johannis zusammengefafst
werden. Ueber denselben erhebt sich in edler Erhabenheit die Burg, und immer wieder fühlt sich der
Blick zu dieser stolzen Höhe hingezogen, welche die ganze Gegend beherrscht und in jeder Tagsbe-
Jleuchtung gar malerisch sich darstellt.
Treten wir der gefälligen Häuserlinie näher und in einen der mittleren Gärten ein. Es ist der Gar-
ten des Buch- und Kunsthändlers Hrn. Dr. Campe. Von diesem Standpunkte aus ist unser vorliegen-
des Blatt aufgenommen. Es gewährt eine Ansicht der Burg in allen ihren Theilen, obgleich diese sich
in ihren gebrochenen Ecken und stumpfen Winkeln gedrängt zusammenzieht, Das Hauptgebäude, die
eigentliche Kaiserburg, ragt stattlich hervor über die unteren Basteien, von denen wir die oberste über
den Gipfeln der Bäume im Vordergrunde noch gewahren; es ist dies ein freundlicher Zwinger, von
dem aus uns das sechste Blatt eine Ansicht bietet. Der unter ihm liegende Schlefszwinger ist hier nicht
sichtbar. Die nach innen zu liegenden Gebäude, der Heidenthurm und der Siewelthurm sind nur an
ihren Dachspitzen erkenntlich, Das vordere Eckthürmechen begränzt das Kaiserschlofs in seiner äufser-
sten hervorspringenden Spitze; die verkürzt hinablaufende Seite geht in eine hohe, mit Fenstern ver-
sehene Mauerwand aus, welche den Schlofshof nach aufsen abschliefst. Das neben den schlanken Pap-
peln bemerkbare Haus ist die ehemalige Wohnung des Burgamtmanns, das kleine Thürmchen bezeich-
net die äufserste Burghut, dann folgt der fünfeckige Thurm, durch das hohe Dach der Kaiserstal-
lung mit dem Thurme Lug in’s Land verbunden. Zur rechten Seite der Burg läuft ein bedeckter
Gang hinab, der den offenen Zwinger gegen die Stadt abschliefst und am Pilatus-Hause vorüber an das
Thiergyärtner-Thor geht, mit welchem die äufserste Rechte unsers Bildes endigt.
*) Eine dieser Stationen, die dritte vom Thiergärtner-Thore aus, von Fr. Geifsler gestochen, ist in derselben Verlags
handlung erschienen.