15
Es ist ein wichtiger Abschnitt in Dürer's Leben, der sich mit dem
Tode seines, mit der reinsten Sohnesliebe von ihm verehrten Vaters voll—
zieht, wie ja auch Das so ächt eigenartig deutsch an ihm ist, daß das
Familienleben bei ihm eine so viel tiefer eingreifende Bedeutung hat, als
bei seinen großen italienischen Zeitgenossen. Raphael und Michelangelo,
bei all dem äußeren Glanz ihrer beneideten Existenz, sie hatten kein Familien—
leben — ob sie es entbehrt haben? Wir wissen es nicht, aber man darf
es bezweifeln, wenn man bedenkt, daß der Größeste jener Zeiten, Leonardo
da Vinci, es geradezu als eine Pflicht gegen die Kunst, die eigentliche Ge—
liebte des Künstlers, betrachtet — kein Weib zu nehmen!
Welche Welt von Consequenzen ließe sich aus diesen nationalen Grund—
verschiedenheiten ableiten, die wir hier nur andeuten können. — —
Die Innigkeit aber des Antheils an seiner Familie, wir fühlen sie
immer wieder am unmittelbarsten, am lautersten und ungesuchtesten aus
Dürer's eigenen, so unnachahmlich schlichten Tagebuchaufzeichnungen, wo
es heißt: „Danach begab sich aus Zufall, daß mein Vater krank ward
an der Ruhr, also, daß ihm die Niemand stellen möcht; und da er den
Tod vor seinen Augen sahe, gab er sich willig drein, mit großer Geduld,
und befahl mir meine Mutter, und befahl uns göttlich zu leben. Er
empfing auch die heiligen Sacrament und verschied christlich, wie ich das
in einem andern Buch nach der Läng beschrieben hab, im Jare 1502 nach
Mitternacht vor S. Matthäus Abend, dem Gott gnädig und barmherzig
seye.“ Welch ein inniger Nachklang der heiligen Worte vom Kreuz:
„Weib, siehe, das ist Dein Sohn!“ und: „Siehe, das ist Deine Mutter!“
Aber noch war in dem frischen Geiste des zweiunddreißigjährigen
Mannes voll Lebenskraft auch die frische Wanderlust der Jugend nicht
erloschen. Im Jahre 1505 sehen wir ihn mit Nürnberger Handelsleuten
nach Wälschland ziehen, nach dem bunten Süden, wohin es ja von jeher
die deutschen Herzen zog. Auf einem stattlichen Rößlein ward die Reise
gemacht, und die schöne Stadt Venedig war das erste Ziel derselben. Aus
den überaus munteren, ja oft übermüthigen Briefen Dürer's an seinen
lieben Jugendfreund Wilibald Pirkheimer sehen wir, wie bald er sich ein—
lebte in die neuen Verhältnisse, und bald die Achtung der besten Künstler
jener Stadt durch seine eigenen Arbeiten gewann. Namentlich war es der
alte ehrwürdige Gian Bellin, das Haupt der Schule, aus welcher
Giorgione und Tizian hervorgingen, der, dem Fremden gewogen, seine