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Das Schembartlaufen geschah in folgender Weise: Voraus liefen,
nach altem deutschen Gebrauch, mehrere Vermummte in Narrenkleidern,
die mit Kolben und Pritschen in der Hand Platz machten. Hierauf kam ein
Narr mit einem großen Sack voll Nüsse, welche er unter die Buben warf,
die sich darum rauften und ein großes Geschrei machten, so daß ein jeder
wissen mußte, der Schembart kommt. Diesem Narren folgte ein anderer,
meist zu Pferd, der einen Korb voll Eier mit sich führte, die mit
Rosenwasser gefüllt waren. „Wenn nun“, heißt es in den Schem—
bartbüchern, „das Frauenzimmer sich in den Fenstern oder unter den
Hausthüren oder auch auf der Gasse sehen ließ, wurden sie mit
diesen Eiern geworfen, und dies hat denn gar schön geschmecket (d. h.
gerochen).“ Dann kamen die Schembartsleute selbst mit ihren Haupt⸗
leuten, Schutzmännern und Mufikanten. Ihr Anzug war bei jedem
derselbe, aber die Farben alle Jahre verschieden und ebenso auch der
Grundgedanke des Zuges. Gewöhnlich waren sie weiß gekleidet, aber
hald mit roten Handschuhen und Schuhen, bald mit einem blauen
AIrmel und blauer Kappe, bald auch waren AÄrmel und Kappe halb
rot, halb weiß, dann wieder waren sie am ganzen Leibe mit roten
Flämmchen, ein anderes Mal mit roten Röoslein getupft. Aber auch
ganz rote, ganz blaue oder aus allen möglichen Farben zusammen⸗
gesetzte Trachten kamen vor und einmal hatten sich acht junge Leute
aus den ehrbaren Familien, denen es der Rat erlaubt hatte, als be—⸗
sondere Partei zu laufen, ganz in Lahngold gekleidet. Anfangs sam⸗
melten die Schembartläufer, weil es ja in die Fasten ging, Fische, die
sie mit einander verzehrten, späterhin Geld, das gemeinsam vertrunken
wurde. In der einen Hand hatten sie einen hölzernen Spieß, in der
anderen eine Art Pinienzapfen, das war ein Feuerkolben mit Winter⸗
grün umwunden, aus dem sie blinde Schüsse abfeuerten. Manchmal
lief auch einer mit unter, der ganz apart gekleidet war, als wilder
Mann oͤder wildes Weib, mit lauter Spiegeln bedeckt, oder als indiani—
sches Weib, mit Kastanien behängt; aber auch politische oder religiöse
Verhältnisse mußten manchmal den Stoff zur Satire bieten. So
machte ein Schembartläufer zu Anfang der kirchlichen Bewegung im
Jahre 1528 großes Aufsehen, der in einem Kleide erschien, das von
lauter Ablaßbriefen mit daran hängenden Siegeln zusammengesetzt war,
und solche Briefe auch in der Hand trug. Den Beschluß machte,
wenigstens vom Jahre 1475 an, eine sogenannte Hölle, die nach ihrer
Größe entweder von Menschen oder von Pferden auf einer Schleife
gezogen wurde. Forts. folgt.)
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