Zu höherer vVollendung.
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schritt er fort zur lebendigen Seelenmalerei — eine Errun—
genschaft, welche er nach seiner Genesung in einer Anzahl von
Gemälden bewährte, ohne dieselben jedoch schon der Äffentlichkeit
zu übergeben. Es war vornehmlich die Leidensgeschichte Jesu,
welche er mit Feder und Pinsel auf grünem, grundiertem Papier
in zwölf Bildern malte, und sodann eine Reihe von Holzschnit—
ten, auf welchen er das Leben der Maria darstellte von ihrer
Geburt bis zu ihrer Himmelfahrt, und zwar mit einem Liebreiz,
der jedem Beschauer das Herz im Leibe lachen machte, denn der
Meister hatte es verstanden, in allen diesen Bildern eine Saite
anzuschlagen, welche in jedem deutschen Gemüt wiederklingen
mußte: was er da gemalt hatte, das war die Verklärung des
Familienlebens, der Preis der Ehe als eines heiligen, gottgeord—
neten und gottgesegneten Standes, — womit dann Dürer dem
deutschen Volke abermals eine Predigt hielt wie zuvor mit seinen
Bildern zur Offenbarung Johannis.
So hatte also Dürer in der Kreuzschule ein Großes ge—
lernt. Doch ausgelernt zu haben, von diesem Glauben war er
weit entfernt, vielmehr sah er in dem welschen Künstler einen
neuen Lehrmeister, von dessen Unterricht er abermals und zwar
wieder nach einer andern Seite hin Gewinn zu ziehen hoffte. —
Jacopo ließ allmählich von der Kälte, mit welcher er dem
deutschen Maler begegnet war. Er lernte freundlich mit ihm
verkehren, beobachtete jedoch dabei eine gewisse Zurückhaltung, da
er merkte, daß es dem Deutschen um nichts anderes zu thun
sei, als von ihm zu lernen. Seinem Auge entging ja nicht die
außerordentliche Begabung Dürers, und so wandelte ihn die
heimliche Furcht an, der deutsche Mann könne zu seiner Höhe
heraufkommen und ihm wohl gar den Rang streitig machen.
Besonders da hielt er sich scheu zurück, als Dürer von ihm
das Geheimnis der Nachbildung des menschlichen Körpers, mit
Stein, Albrecht Dürer.