Schmerz und Sreude.
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Raffael flugs nach meiner Hand und sprach: „Ei, so sollt Ihr
mir zwiefach willkommen sein, und meine Freude wäre voll,
wenn er selbst an Eurer Seite erschienen. Darauf hat er mit
vielen Worten Euer Lob gesagt und mir erzählet, daß er schon
durch seinen Kupferstecher Marcantonio Raimondi, welchen er seit
vier Jahren beschäftige, mit Euren Werken bekannt geworden
sei, welcher ihm auch Eure kleine Passion in Kupfer nachgestochen
habe nebst mehreren andern Bildern. Und siehe, mehr noch
kann ich Euch sagen“ — der Sprecher rückte damit dem Meister
Albrecht näher. „Ich ersah in Raffaels Werkstatt eine Zeich—
nung, zum guten Teil vollendet, daran er eben gearbeitet zu
haben schien. Kaum wollte ich meinen Augen trauen, denn was
ersah ich da? Das Bild stellte die Kreuztragung Christi dar,
und wie? Ich meinete, Euer Bild aus der großen Passion zu
sehen. Wie der Heiland da unter dem Kreuzesbalken zusammen—
sinkt und sich mit dem einen Arm stützt, das erschien mir just
ebenso, wie Ihr es gemalet, liebster Meister. Und dazu auch
die andern Gestalten und wie sie geordnet standen, es deuchte
mir, Raffael hätte es von Euch abgesehen. Jedenfalls hat ihm
Eure Arbeit vorgeschwebt, und Ihr seid ihm also ein Vorbild
gewesen.“
Dürer griff tiefbewegt nach des Erzählers Hand. „O habet
Dank, liebster Schäufelein, habet Dank! Was ich aus Eurem
Munde vernommen, das ist wie ein heller Lichtstrahl in die
Nacht meiner Trauer gefallen. Doch um so heißer ist anjetzo
mein Begehren, den Herrlichen zu schauen. Ach, solchen Wunsch
muß ich mit ins Grab nehmen, denn wie sollen Nürnberg und
Rom zu einander kommen?“
Und nun drang Dürer in Schäufelein, ihm weiteres von
Raffael zu erzählen, von seiner Leibesgestalt und seinen Werken,
von seinem Verhältnis zu dem Papst und seinem Leben, bis