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Künstler sei in der vordersten Figur mit Kappe, Meißel und Schlaͤgel
dargestellt! Wanderer, Bergau, Bode und alle die über Krafft etwas ge⸗
sagt haben, schlossen sich dieser Meinung an, und in Schwabach, wo Krafft
zestorben sein soll, wurde zu Ehren des Künstlers von der Nürnberger
Künstlerschaft beim Sakramentshäuschen eine Denktafel mit dem richtigen
Portrait gesetzt, gleichsam um den begangenen Irrtum für immer aus
der Welt zu schaffen.
Prüfen wir, ob das mit Recht geschehen ist! Zuerst muß entschieden
werden, was Neudörffer unter „zuvörderst“ verstand, „zuerst“ oder
„gleich vorn“, also wen er damit meinte, gleich den ersten in der Reihen⸗
folge mit unbedecktem Haupte, oder den vordersten mit Kappe und
Schlägel. Wenn man annimmt, der Meister würde sich inmitten der
beiden Gesellen dargestellt haben, möchte man sich für den vordersten
mit der Kappe entscheiden. Eins ist jedoch höchst auffallend und bis—
her noch nicht gehörig beachtet worden, daß dieser angebliche Meister
und der jüngere Geselle mit den Werkzeugen des Bildhauers gekenn⸗
zeichnet und in der Arbeitstracht dargestellt sind, während die älteste
Gestalt, also ein Geselle, im einfachen Bürgerrocke gebildet wurde, ferner,
daß dieser das Haupt entblößt hat, und die andern beiden eine Kopf⸗
bedeckung tragen. Hätten die Gesellen nicht gleichartig dargestellt
werden müssen, damit der Meister sich von ihnen unterschied? Ist es
wahrscheinlich, daß ein Meister von diesem Alter einen bedeutend ältern Ge—
sellen in Lohn hatte? Die älteste Gestalt stellt auch keinen Gesellen dar,
oder gar einen bloßen Handlanger, den man in ihr erkennen wollte, weil
sie eine Stange trägt; denn erftens ist das gar keine Stange, sondern
ein Stab oder ein Knüttel,) und zweitens wäre ein Geselle als solcher
besser gekennzeichnet worden. Kellner in seinem kleinen Aufsatz über
Adam Krafft? ging auch schon von dieser Meinung ab und wollte in
ihm einen Freund Kraffts sehen, ein andrer glaubte, daß nur ein
Idealbild dargestellt sei. Ich möchte, obwohl das Gegenteil behauptet
worden ist, sagen, daß das Antlitz dieser Gestatt edlere Zůge trägt
als das heute für das des Meisters geltende. Wenn die älteste Figur,
die man schon deshalb als Meister annehmen möchte, weil sie die
älteste unter den dreien ist, von Anfang an einen Stab hielt, könnte
man vielleicht daran denken, daß sich der Meister in ihr als Pilger
) Wer weiß, ob die Figur von Anfang an den Knüttel in den Händen hielt.
Auf der Abbildung des Tabernakels bei Doppelmayer fehlt derselbe
2) Nürnberg 1889