scheinlich ebensoviel genützt hätte wie alle anderen
Haarerzeugungs- und Krhaltungsmittel.
Nur einige Wochen beherbergte unser Zimmer
einen kleinen Lateiner, den offenbar seine Jugend
hinderte, ein bekanntes Dichterwort in allen Stücken
zu verstehen und anzuwenden. Denn als er ein
Kistchen Trauben geschickt bekam — wie klang mir
die Kunde davon in den Ohren! Es war der erste
Herbst, den ich nicht in der Heimat erlebte! —, da
wußte er zunächst mit dem schönen Vers: „Geteilte
Freud ist doppelte Freud“, nichts anzufangen. Erst
als darüber sein Traubenvorrat recht saftig zu werden
anfing, da ging ihm augenscheinlich ein Licht auf
über die Worte: „Geteiltes Leid ist halbes
Leid‘“ und wir fanden eines Tages bei der Heim—
kehr von der Schule ein jeder auf seinem Bett ein
Häuflein Trauben hingebreitet. Es ist mir aber nicht
erinnerlich, daß sich bei der unerwarteten Hilfeleistung,
zu der er uns nun veranlaßte, der Schluß jenes
Dichterwortes an uns bewahrheitet hätte: „Und die
Liebe sie wächset im Tragen“ Im übrigen aber
war er ein ganz prächtiger Bursche.
Er wurde dann abgelöst von einem Neffen
„der Doktorin“, der dafür, daß er als Waise jeden—
falls nicht mit irdischen Gütern gesegnet war und
keinen Erzieher hatte, an seinem Onkel einen ge—
strengen Stellvertreter väterlicher Gewalt fand. Er
hielt mit uns gute Kameradschaft und wir mit ihm.
Eine liebenswürdige Erscheinung war, seine
Schwester, die im Hause das vorstellte, was man
heutzutage „Stütze der Hausfrau“ nennt, immer
freundlich, immer heiter, unermüdlich, unsere Ver—
traute in den kleinen Leiden dieses Lebens; sie ver—
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