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Als am nächsten Vormittag die Stunden beim
Vikar zu Ende gingen, öffnete sich die Kinderstuben—
tür und Rottmann trat ein. Über das blasse Ge—
sicht des Vikars zog eine helle Röte.
„Guten Morgen, Vikar, laßt Euch nicht stören,
vollendet die Stunde.“
Rottmann trat zum Fenster und lehnte sich
gegen das Fensterkreuz.
Annele saß eifrig schreibend am Tisch. Christoph
und Joseph wurden vom Vikar in römischer Ge—
schichte geprüft. Christoph saß lässig im Stuhl,
er beantwortete jede Frage ohne zu stocken, aber
auch ohne Interesse, während Joseph stramm saß,
die gefalteten Hände vor sich auf dem Tisch, und auf—
merksam den Vikar ansah, auch wenn an ihn keine
Frage gestellt wurde.
Die Röte auf des Vikars Gesicht war schnell
wieder einer tiefen Blässe gewichen. In dem müden
Gesicht waren nur die Augen jung und lebensvoll.
Als er die Stunde beschloß und darauf hin—
wies, daß sie nun zu dem Aufstand der Plebejer
kämen, der durch den Übermut der Patrizier hervor—⸗
gerufen worden, da blitzten seine dunklen Augen
heiß, fanatisch auf. —
Die Stunde war zu Ende, Annele zeigte ihre
vollgeschriebene Tafel, die Buben packten ihre Bücher
zusammen. J
Da trat Rottmann zum. Vikar. „Wollt Ihr
mir folgen, ich möchte mit Euch reden.“ —W
Und die beiden Männer traten in die Wohn—⸗
stube. Am Fenster saß Frau Josephine und Liesle
spielte zu ihren Füßen. Josephine stand auf.
BBleibe bitte hier, Josephine, es handelt sich
um unsere Buben. Sie sind nun beide im Alter,