Volltext: Die neue Zeit

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anders über das Verfehlen Haßners zu denken. Sie 
maß es nicht mehr mit dem Maßsiab ihrer Liebe 
und ihres Vertrauens. Sie konnte jetzt ruhig dar— 
über nachdenken, denn das persfönliche Enpfinden 
war geschwunden. Sie, die Unreife, Junge, hatte 
einen Mann geliebt und hatte deshalb zu ihm auf— 
gesehen und ihn für groß und herrlich gehalten, 
heute wußte sie, daß ein Haßner nicht mehr den 
geringsten Eindruck auf sie machen würde. Darum 
hatte sie auch verziehen und vergessen. — 
Rottmann konnte sich in Berlin wenig Annes 
annehmen. Aber schon in den ersten Tagen hatten 
Rottmann und Anne eine Frau kennen gelernt, die 
ihnen beiden nicht mehr fremd war. Ihre Bücher 
standen auf Annes Bücherbrett. Frau Annette 
Winkler hatte für Rottmann eine schwärmerische 
Bewunderung und seine Tochter zog sie mit mütter— 
licher Zärtlichkeit an sich. Sie nahm sich Annes 
auf das freundschaftlichste an, und Sebastian Rott— 
mann war beruhigt, sein Kind in den Händen 
dieser Frau zu wissen, die er nun im persönlichen 
Verkehr ebenso hoch schätzen lernte, wie er es nach 
ihren Büchern schon getan. 
Anne wehrte sich anfangs noch herb. Sie be— 
wunderte rückhaltlos die bedeutende Frau, aber fie 
wollte nicht lieben. Schließlich gab sie sich doch 
gefangen. 
Es war in einer dämmerigen Abendstunde, 
Frau Winkler war mit Anne den ganzen Tag unter⸗ 
wegs gewesen, und ermüdet sanken sie beide nun 
in die weichen Sessel des künstlerisch eingerichteten 
Arbeitszimmers der schaffenden Frau. Eine müde 
Kraftlosigkeit hatte sich Annes bemächtigt. Zu viel 
der Eindrücke, zu viel der Gedanken hatten ihr Kopf
	        
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